Sonntag, 10. Juli 2011

Europa neu erfinden (4)

Das Stereotyp "die EU diene dazu, den Krieg in Europa zu vermeiden", ist so unsinnig wie die Frage: "Wollt ihr im Alter von 23 Jahren an Krebs versterben"?

Es sind doch nicht die Bürger eines Landes, die den Krieg wollen und ihre Politiker in diese Richtung zwingen. Vielmehr sind es die großen politischen Verführer, die ihre Bürger dazu bringen, den Krieg als ein Mittel anzusehen, das in bestimmten Situationen oder Konstellationen angewendet wird, um sich Vorteile zu verschaffen, oder als Reaktion, das Vorteilsstreben eines anderen Landes zu vermeiden.

Krieg in Europa wäre auch aus heutiger Sicht und ohne die Europäische Union so wahrscheinlich wie kriegerische Handlungen unter unseren  Bundesländern.

An sich ist jedoch festzustellen, dass Krieg, ebenso wie große Epidemien und Naturkatastrophen die Menschheit dezimieren und Wirtschaftsgüter vernichten.

Fukushima ist ein gutes Beispiel für die natürliche Vernichtung von Menschen und Wirtschaftsleistungen.  Aber wie man in der Politik so schön sagt: "Man wird gestärkt aus der Krise hervorgehen!"

Auf dieser Basis wurde in der Vergangenheit neues Wachstum generiert. Der Unterschied zum Krieg liegt nur in der Intentionalität der Auseinandersetzung zwischen Länder und ihren gesellschaftlichen Konsequenzen.

In der heutigen Zeit findet Krieg außerhalb der Europäischen Union statt. Die Teilnahme der Bundesrepublik Deutschland ist an die Entscheidung des Bundestages gekoppelt und nur gerechtfertigt, wenn höhere Güter, wie zum Beispiel die Menschenrechte verletzt werden und die Völkergemeinschaft ein Mandat für notwendig hält

Aber auch in diesen Fällen spielen wirtschaftliche Grundüberlegungen eine Rolle, denn alles was zerstört wurde, bedarf des Aufbaus, und  das später eintretende Wirtschaftswachstum in den Krisenregionen ist auf Grund der Globalisierung nie frei von Eigeninteressen der intervenierenden Staaten.

Wenn von Clausewitz mit seiner Meinung Recht hat, dass der Krieg die Fortsetzung der Politik mit andern Mitteln darstellt, befinden wir uns auf einer Argumentationsebene, die eine politisch intendierte wirtschaftliche Übervorteilung innerhalb der Europäischen Union klar definiert..

Bei der politisch orientierten Entscheidung, die Lohnstückkosten in der Bundesrepublik Deutschland so zu senken, dass sie geringer sind als viele derjenigen anderer Staaten der EU, verschafft sich der deutsche Markt Absatz- und Gewinnvorteile, die auf dem Rücken der arbeitenden Bevölkerung und der Rentner ausgetragen werden. Lohnzuwächse befinden sich unterhalb der Inflationsrate, Renten werden im günstigsten Falle ebenso behandelt oder mit Nullrunden versehen. Die Absicht, die man hier unterstellen kann, ist eine Ersatzhandlung für das Fehlen von Krieg, Naturkatastrophen und Epidemien mit dem Ziel einseitiges Wirtschaftswachstum zu schaffen

Die im Euro-Raum / EU so häufig bemühte Solidarität hat hier zwei Seiten. Entweder sind die anderen EU Mitgliedsländer mit dem deutschen Konzept solidarisch und verhalten sich ebenso, oder diese fordern Solidarität von Deutschland ein, das hieße, die Lohnabschlüsse und Rentenerhöhungen lägen über der Inflationsrate, damit auch die deutsche Bevölkerung  an der wirtschaftlichen Entwicklung hinreichend partizipiere.

Die bedrohliche finanzwirtschaftliche Lage in der heutigen Zeit verdeutlicht, dass weder die EU noch die Euro-Zone noch die nationalen Regierungen fähig waren, koordinatorisch und verlässlich Maßnahmen zu treffen. 

Mit der Entscheidung, die die Bundesregierungen seit Kohl getroffen haben, erklärten sie den anderen EU-Staaten stillschweigend einen "Wirtschaftskampf", den sie teilweise dadurch wieder entschärften, dass sie Kapitalflüsse in die wirtschaftlich schwachen Länder zuließen und darauf vertrauten, dass mit diesem geliehenen Kapital deutsche Produkte gekauft würden.

Diese Überlegung ist teils gelungen, teils gescheitert, weil in Griechenland, Portugal und Spanien usw. auch in  Wohlstand investiert wurde und z.B. Zapatero (Spanien) in einem Anfall von „Größenwahn“ formulierte, dass er den deutschen Lebensstandard übertreffen wolle. Ohne es zu wissen, hatte er sein Ziel mit Fremdfinanzierung schon vor 2005 erreicht. 

Als das Konzept mit der Überschuldung der heute maroden EU-Staaten zu scheitern drohte, verloren die betroffenen Länder ihre Souveränität und unterwarfen sich dem Diktat der finanzstarken Länder, vor allem Deutschland und dem IWF. Die Eurogruppe oder die EU schlechthin spielen hier nur die Rolle des begossenen Pudels, der nicht weiß, ob der Regen von oben, unten oder den Seiten kommt.

Fakt ist, dass als Ersatz des realen Krieges, der in Europa ausradiert ist, Kapital und Wirtschaftsleistungen verbrannt werden müssen, um danach wieder ein Niveau zu erreichen, auf dem wirtschaftliches Wachstum ermöglicht wird.

Da die Eurogruppen-Länder in einer Zwangsjacke gefangen sind, gilt es, sie zu zerschneiden und den Euro abzuschaffen. Europa in der heutigen Konstellation ist eine Fehlgeburt, die auch durch diverse Operationen nicht zu retten sein wird. 

Und es ist sicher, dass mit jedem Neuzugang zur EU / Euro-Gruppe die Problematik komplexer wird.  Reformen führen zu Komplikationen bis hin zur absoluten Handlungsunfähigkeit. 

Europa ist nur mit einem neuen, durchdachten Konzept, das zielorientiert die jeweiligen nationalen Strukturen respektiert,  lebensfähig. Dazu müssen Kompetenzen an die nationalen Regierungen zurück übertragen werden, der administrative Europa-Wasserkopf muss gewaltig schrumpfen, und das Konzept EU- Kommission, Parlament und Präsident sollte durch eine übersichtliche Koordinations- und Aufsichtsstruktur simplifiziert und ersetzt werden. 

Samstag, 9. Juli 2011

Europa neu erfinden (3)

Die Diskusion um die Aufnahme der Türkei in "Europa" zeigt die Unsicherheit der Länder der Union. Im Laufe der Vertragswerke bis hin zum Lissabon-Vertrag konnte man sich nicht entscheiden, per definitionem den Rahmen der Länder festzusetzen, die auf Grund vorgegebener Kriterien Beitrittsstaaten zur EU werden sollten.

Auch hier wurde vernachlässigt, eine sozio-kulturelle gemeinsame Basis zu finden, die Grundlage einer diesbezüglichen weiteren Annäherung bis hin zu einer gemeinsamen neuen Qualität hätte sein können.

Statt dessen wurden wirtschaftliche Aspekte in den Vordergrund gerückt, die auf der einen Seite auf der Grundlage gemeinsamen wirtschaftlichen Handelns aufbaute und auf der anderen Seite neue Märkte innerhalb der beigetretenen Neustaaten erschließen sollten. Dabei wurde das wirtschaftliche Gefälle zwischen den etablierten starken Staaten und den schwachen Neustaaten ausgenutzt, um durch Auslagerung von Industrie- und Produktionsstätten Gewinne zu maximieren.

Vergessen oder mit ins Kalkül genommen wurden die Tatsachen, dass mit dem industriellen Aufrüsten der schwächeren Staaten nur über eine mittelfristige Zeit Verdienste zu maximieren waren, denn zwangsläufig stiegen auch dort die Preise und führten zu einem Anstieg der Produktionskosten.

Absolut vernachlässigt wurde der Aspekt, dass jedes Land in der Europäischen Union über ein nationales System der Lohnregulierung verfügte und teils die inländischen Teuerungsraten durch einen gesetzlichen Automatismus an die Arbeitnehmer weitergab. Die Lohnstückkosten stiegen so kontinuierlich, wie zum Beispiel in Spanien,  während sie in Deutschland sein Mitte der 90er Jahre abnahmen.

Die heutige Krise im Euro-Raum zeigt, dass die EU es nicht einmal geschafft hat, ihr Hauptmovens, die Wirtschaft, so aufzustellen, dass sie nicht in Bedrängnis kommt.

Da Entscheidungen politisch-emotional und nicht sachlich getroffen werden, biegt sich jeder EU-Partner seine Kriterien so zurecht, dass er im Europäischen Haus einmal Platz findet und zweitens die Vorteile mitnimmt, die er sich ohne Einspruch der Partner aneignen kann. Letztendlich gab es weder in den nationalen Regierungen noch in Brüssel Kontrolleinstanzen, die eingeschritten sind.

Die Aufsicht der EU, mit all ihren Verwaltungsapparaten, hat absolut versagt. Nicht weil man keine Kompetenzen hätte, sondern weil man einfach die Übersicht verloren hat.

Das Monster Europäische Union ist zu aufgeblasen, um überhaupt funktionieren zu können und der richtige Schritte wäre, bliebe man beim Primat der Wirtschaft über ein funktionierendes politisches Gemeinwesen, die Konzentration auf wirtschaftiche Koordinationsaufgaben zu beschränken. Die Einführung des Euro war ein Kardinalfehler. Zu behaupten, dass alle und vor allem Deutschland vom Euro profitiert hätte, ist absoluter Unsinn, denn eine Welt, die nur aus Gewinnern besteht, ist nicht existent.

Und selbst wenn Deutschland, das in der Pauschalierung nicht mit den deutschen Arbeitnehmern gleich zu setzen ist, vom Euro profitiert haben sollte, wird dieser Vorteil in dem Moment mit Zinsen und Zinseszins zurückgezahlt werden, wenn die maroden Euro-Länder in den Konkurs gehen.

Ein Vergleich mit dem japanischen Atomunfall ist angesagt:

Auch Atomstrom scheint billig und sauber, aber nach dem Supergau folgt die Abrechnung.

Dienstag, 5. Juli 2011

Strauss-Kahn for President?

Es ist schon interessant, dass ein großer Prozentsatz unserer französischen Nachbarn an ihrem Wunschkandidaten Strauss-Kahn festhält.

Nun, hinsichtlich des in den USA angeblichen Vergewaltigungsvorwurfs scheint er entlastet zu sein. Und was sein sexuelles Verhalten angeht, mag man dieses in Frankreich anders sehen als in Deutschland.

Ein Vergewaltigungsvorwurf in Frankreich, an dem schon der Zahn der Zeit und des Vergessens nagt, ist schon fast ebenso zu vernachlässigen wie die Tatsache, dass ein Sozialist Multimillonär ist und einen Porsche Panamera im Wert von über 150.000 Euro bewegt.

Auch der sozialdemokratische Kanzler a. D.  Schröder hat den "Kanzlerbonus"  gewinnbringend in seine geschäftlichen Aktivitäten eingebracht.

Also wird die französischen Gesellschaft vorwiegend zwischen dem sexuellen Wesen  und dem Politiker Strauss-Kahns zu entscheiden haben, wobei seine Chancen Präsident zu werden, doch recht eingeschränkt erscheinen.

Letztendlich wird Strauss-Kahn auch wegen des internationalen Prestigeverlustes wohl keine Lust mehr auf das Amt haben.

Deutsche Milliardenhilfen vor dem Bundesverfassungsgericht

Für deutsche Bürger, die sich von den existenzbedrohenden Entscheidungen ihrer Politiker verunsichert sehen,  mag der Gang Gauweilers und einiger Rechts- und Wirtschaftsprofessoren ein Lichtblick sein.

Zu stereotyp sind die Einlassungen Schäubles, des CDU-Fraktionsvorsitzenden und anderen Mitgliedern der Politikerkaste, die zudem perfekt das perfide Spiel des Taktierens und Verdunkelns beherrschen.

Wenn Wissen Macht bedeutet, ist der Bürger machtlos, weil ihm Informationen vorenthalten werden. Es ist nun einmal politisches Geschäft zu lügen und wenn es nur die abgeschwächte Form davon ist, Informationen zu filtern, zu politischen Zwecken zu manipulieren und sie nur scheibchenweise weiterzugeben.

Das Ringen um Lösungen, die alternativlos nur in eine Richtung verlaufen, ist das Problem der Politik in der Eurozone, und nun sollen die Richter ein Urteil fällen.

Das Bundesverfassungsgericht kann aber nur klären, ob sich die Entscheidungen, die die Bundesregierung für die Rettung maroder Eurogruppen-Staaten getroffen hat, mit dem Grundgesetz vereinbar sind.

Es ist nicht zu erwarten, dass die Richter ein Urteil fällen, das Entscheidungen der Bundesregierung korrigiert, indem zum Beispiel die Griechenlandhilfe als nicht verfassungskonform beurteilt und die Rücknahme angeordnet wird.

Vielmehr sieht es so aus, als ob das Bundesverfassungsgericht die Entscheidungswege aufzeigt und deren Einhaltung zwingend vorschreibt.

Für den deutschen Bürger hieße das: Keine Änderung bei den politischen Entscheidungen solange die heutigen Politiker noch im Amt sind.

Da jedes politisches System danach trachtet, sich zu erhalten, um seine eigene, auch monetäre Situation zu sichern, gibt es nur den Weg politischer Korrektur über das demokratische Wahlrecht, das Abwählen der Parteien, die nachhaltig die Interessen des Landes zum Nachteil seiner Bürger schädigen.

Dazu muss die deutsche Parteienlandschaft erweitert werden, damit Politik sich nicht mehr im Kreis der Etablierten bewegt.

Europa neu erfinden (2)

Die Vereinigten Staaten von Europa in denen jedes Land quasi ein Bundesland wäre, ist nicht nur eine Illusion, sondern eine absolute Unmöglichkeit. Um hier eine Grundlage zu schaffen, die derjenigen der USA und ihrer Entstehung entspräche,  müsste man die indigenen Bevölkerungen ausrotten und auf dieser Grundlage eine neue Gesellschaft aufbauen, die alle soziokulturellen Elemente der Gründergesellschaft, sollten solche vorhanden sein, verschmilzt und sich durch einen Rechtsvertrag auf eine gemeinsame Sprache einigt.

Im heutigen Europa, dessen größter Fehler es war, über die Länder der Römischen Verträge, also die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien, die Niederlande und Luxemburg, hinauszugehen, ist die Schaffung einer gemeinsamen soziokulturellen Struktur absolut unmöglich.

So ist es unabdinglich, dass wesentliche nationale Elemente, wie Sprache und Kultur in jedem Land erhalten bleiben und die Kraft der Gemeinschaft aus der Diversifizierung  gezogen wird. Das hieße, je intensiver Sprache und Kultur eines Mitgliedslandes gepflegt und gelebt werden, desto reicher wird ihre Leistung in Bezug auf Europa.

Davon ist im heutigen Europa nichts zu sehen und es ist auch nicht das Anliegen Brüssels, hier korrigierend einzugreifen und dem kulturellen Aufweichungs- und Zersetzungsprozess ein Ende zu setzen, weil sich Europa nur wirtschaftlich definiert.

Die kulturelle Entwicklung ist  mit Defekten durchsetzt, weil die nationalen Regierungen im Bildungsbereich eklatant versagt haben und weiterhin versagen. Dabei handelt es sich nicht um einen Rückschritt, denn dieser würde eine Rückbesinnung beinhalten, die zu ehemaligen Qualitäten  zurückführten.

Die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte mit dem Postulat der multikulturellen Gesellschaft hat eindrucksvoll bewiesen, dass sowohl sprachlich als auch kulturell keine Fortschritte generiert wurden, es wurden erworbene Qualitäten zerstört.

Dieses führte irreversibel zu einem Verlust von Identität, die aber für eine europäische, diversifizierte Gesellschaft mit ihren Menschen lebenswichtig ist.

Eine vielleicht angestrebte europäische Identität, wäre sie überhaupt möglich, befände sich auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner, der sich, ausgehend von den Ländern der Römischen Verträgen mit dem Eintritt jeden weiteren Landes schnell nach unten bewegt, um bald  die niedrigste Stufe zu erreichen: das Existenzniveau.

Samstag, 2. Juli 2011

Europa neu erfinden (1)

Die Eurokrise, die Bankenkrise, die Krise der Staatsschulden, die europäische Finanzkrise, wie immer man die gegenwärtige Situation Europas betiteln möchte, eines hat sich mit absoluter Sicherheit gezeigt: Europa ist überlastet, unfähig zu reagieren, die Situation zu managen, Lösungen zu finden, die ein Überleben im Euro-Raum garantiert.

Und genau hier ist aus diagnostischer Sicht der Tumor angesiedelt, der riesige Geldmittel verzehrt, sich davon selbst ernährt und  letztendlich zur Autoliquidierung führt.

Die Länder, die nicht der Euro-Zone angehören, können, wenn auch angeschlagen, den Krisen entkommen, weil sie noch die Flexibilität haben, in Eigenregie ihre Währungen den wirtschaftlichen Bedürfnissen anzupassen.

Das Problem Europas ist seine Entstehung aus einer wirtschaftlichen Konzeption, und seiner fortschreitenden, unkontrollierten Entwicklung, die ebenfalls nur aus wirtschaftlichen Interessen ihre Kraft zieht.

Die Zentrierung der Politik Europas, die vielfältigen europäischen Institutionen und die Fülle von Verwaltungsvorschriften auf 80.000 Seiten zeigt, dass ein Verwaltungsmonstrum erschaffen wurde, das vorwiegend mit sich selbst beschäftigt ist, an seiner politischen Legitimierung arbeitet und in den Zeiten, in denen eine klare und effektive Enscheidungskompetzen gefordert wird, in ärmlicher Weise versagt. Derzeit ist Europa nicht das Synonym für westliche Demokratie, es ist undemokratisch, diktatorisch und bürgerfern.

Was ist von der Institution Europa zu erwarten, wenn die nationalen Regierungen es mit ausgedienten Politikern und solchen zweiter Kategorie bestückt?