Meinungen zum Thema "Flüchtlinge" sollte man reifen lassen, bevor man sie öffentlich artikuliert und durch Schnellschüsse verurteilt, Türen schließt und Bevölkerungsteile in die rechte, linke oder sonstige Ecke stellt.
Die Flüchtlingsproblematik, oder die Gastarbeiter- / Migrantenproblematik war immer präsent in der deutschen Nachkriegsgeschichte, in so weit wie sie sich auf Ausländer bezieht. Die Kriegsvertriebenenproblematik ist anders geartet, weil es sich um Deutsche handelte, die in Not ihre alte Heimat verlassen mussten.
Das Argument, es handle sich in beiden Fällen um Menschen, ist einerseits richtig, andererseits muss man grundsätzlich davon ausgehen, dass eine nationale Bindung, deren Grundlage nicht nur Emotionen sondern auch Gesetze sind, anders zu bewerten sind als die von Flüchtlingen, deren Akzeptanz oder nicht aber ebenfalls durch Gesetzte geregelt sind. Gastarbeiter, später zu Migranten umgetauft, kamen aufgrund von Verträgen mit Firmen und entsprechender gesetzlicher Regelung nach Deutschland.
Meinen erster Kontakt zu Ausländern hatte ich in der ersten Klasse der Volksschule in Bottrop. Es waren Kinder polnischer Eltern und in der damaligen Zeit war mir nur durch Ihre Vor- und Nachnamen bewusst, dass sie "anders" waren. Es waren aber unsere Mitschüler, ohne wenn und aber. Nun war das Ruhrgebiet als "melting pot" aber wirklich nicht überfordert. Integrationshilfen in der damaligen Zeit gab es nicht. Die "Ausländerproblematik" hat sich in meiner Schulzeit in Bottrop nie gestellt, weder für mich noch für andere Menschen.
Als ich später, nach dem Abitur und in den Semesterferien auf Bottroper Zechen (Prosper II und Porosper IV) gearbeitet habe, war ein Anteil der Kumpel polnischer Abstammung integiert bis auf gewisse sprachliche Defizite, aufgrund der Tatsache, dass in der Schulzeit keine zusätzlichen Sprachunterrichtsangebote vorlagen. Schon damals ein Armutszeugnis deutscher Politik. In der Folgezeit kamen immer mehr Türken, die Untertage eingesetzt wurden. Integrationsversuche fanden von keiner Seite statt, sie arbeiteten in geschlossenen Gruppen, lebten von Deutschen getrennt und in Sache Beschulung der Kinder galt der Grundsatz, keine Grundsätze zu haben. Wenn einige Kinder dieser "türkischen Gastarbeiter der ersten Generation" später den Weg zum Gymnasium und zum Studium schafften, war das die Ausnahme und dadurch bedingt, dass die Intelligenz sich ihren Weg sucht.
Bewusst wurde mir das "Ausländersein" als Selbsterfahrung, als ich eine Zeit in Südfrankreich verbrachte und von Marseille nach Cap d'Ail trampte. Ich wurde von einem Franzosen in einem Peugot Cabriolet mitgenommen, der, als er meine Nationalität erfuhr, mitteilte, dass er französischer Jude sei und seine Eltern im KZ umgekommen seinen. Wer die lange Strecke von Marseille bis Cap d'Ail kennt, weiß wie Anschuldigungen und Hass sich zu einer Last addieren können und man nur noch betet, dass er auf den engen Landstrassen von 1969 mit 160 Stundekiliometern nicht gegen einen Baum fuhr. Aber nein, ich kam an und wir veranschiedeten uns, als wenn das Emotionsgewitter nicht statt gefunden hätte.
In Aix-en Provence, Marseille und Genf lebte ich in der Cité Universitaire unter Studenten in einem internationalem Ambiente ohne das Gefühl nicht akzeptiert zu sein, wobei man sagen muss, dass die calvinistisch geprägte Genfer Gesellschaft sehr geschlossen war.
In der Zeit meines Stipendiats an der Universität Salamanca lebte ich im "Colegio Mayor Universitario Hispanoamericano "Hernán Cortés" mit Spaniern, Cubanern, Ecuatorianern, Chilenen, Puertorikanern bis hin zu einigen US-Amerikanern zusammen. Ein Gefühl des Fremdseins kam nicht auf, man war Teil des Ganzen mit allen Rechten und Pflichten.
Im Jahr 1972, als ich, nach meiner standesamtlichen Eheschließung in Deutschland und der damals obligatorisch, katholischen Eheschließung in Salamanca wieder nach Deutschland zurückkehrte, stellte ich anläßlich der Anmeldung in Lövenich fest, wie Menschen auf Ausländer reagieren. Das Erste, was der Beamte der Ausländerabteilung meiner Frau (Germanistin) mitteilte: "Wenn Sie keinen Unterhalt nachweisen können, werden Sie ausgewiesen". Es folgte eine Dienstaufsichtsbeschwerde beim Regierungspräsidenten Köln, danach hatte der Beamte "Kreide gefressen".
Um die Auflagen der Einbürgerung zu erfüllen, musste meine Ehefrau zur Untersuchung beim Gesundheitsamt Köln vorsprechen. Die Untersuchung war, Originalton meiner Frau: "erniedrigend", zusammen mit Prostituierten.
In beruflicher und sozialer Hinsicht war meine Frau nicht nur dadurch integiert, dass sie hervorgangend Deutsch spricht (direkte weibl. Vorfahre aus dem 18. Jhd.: Friederike Christine von Mercklein). Nur wenn sie auf dem Bonner Markt mit unseren Kindern in Spanisch sprach, wurde sie, wenn sie bat die faulen Paprikaschoten aus der Tüte zu nehmen, dahin geschickt, wo der Peffer wächst.
Bei meiner beruflichen Tätigkeiten am Romanischen Seminar der Universität zu Köln war beruftsbedingt, der Kontakt zu Ausländern groß und problemlos. Bei meinem Anliegen, den 1. bilingualen deutsch-spanischen Bildungsgang der BRD am Albert-Schweitzer-Gymnasium (damals: Gymnasium Sudetenstr.) in Hürth einzurichten, stieß ich bei meinen Verhandlungen mit dem spanischen Erziehungsministerum auf offene Ohren, mein Ministerium war ebenfalls bereit, zudem ich Hilfestellung durch die Fachdezernentin bei der Bezirksregierung Köln bekam. Bei der Vorverhandlung im damaligen Kultusministerium in Düsseldorf wurde mir jedoch vom Leiter der Gymnasialabtelung und einem weiteren Ministerialrat mitgeteilt, dass es sich um ein deutschen Schulangebot handeln werde und der von mir gesuchte Einstieg in eine schulische Heimat Spanisch sprechender Kinder quasi nur ein Nebenergebnis sei. Nach dem Grundsatz der Kostenneutralität wurde mein Integrationsansatz weitgehend verworfen.
Nach der Einrichtung des Bildungsganges und in Anbetracht der deutschsprachigen Defizite beantragte ich auf dem Dienstweg (Schulleitung) deutschspachigen Ergänzungsunterricht für die betroffenen Schülerinnen und Schüler, was abgelehnt wurde. Es gab nur Mittel für Auslandsdeutsche aus Russland. So viel zur Integration unter einer SPD-Regierung in NRW.
Seit meiner Zurruhesetzung lebe ich in Spanien. Behördlicherseits habe ich persönlich keine Probleme gehabt. Bei einem meiner Söhne wollte ihm jedoch die Universität Salamanca ein Regierungsstipendium verweigern, weil sie wegen des Nachnamens davon ausgingen, dass er Deutscher sein. Den Antrag stelle er aber als Spanier. Nach EU-Norm hätte er jedoch auch als Deutscher einen Anspruch auf dieses Stipendium gehabt. Nur mit "harten Bandagen" und dem Insistieren, dass er die spanische Nationalität habe, wurde das Stipendium genehmigt. Es gibt also auch Vorbehalte gegenüber fremdklingenden Nachnamen außerhalb Deutschlands.
In den sozialen Netzen Spaniens muss ich mit meinen Kommentaren sehr vorsichtig sein, um nicht angefeindet zu werden. Als Deutscher stehe ich hier unter Generalverdacht, die spanische Gesellschaft auszunutzen.
Am Donnerstag der heutigen Woche waren wir in der Deutschen Botschaft, um den Pass meiner Ehefrau erneuern zu lassen. Bei der Sachbearbeiterin herrschte eine ablehnende bis feindliche Haltung vor, weil sie meinte, dass die Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung aus dem Jahr 1981 zu widerrufen sein, weil meine Ehefrau ihre ursprüngliche Nationalität nicht zurückgegeben habe und daher kein Anrecht auf die deutsche Staatsangehörigkeit habe. Erst nach meinem Eingreifen und Verweis auf das Internationale Recht zum Zeitpunkt der Wiedererlangung der spanischen Nationalität und das Eingreifen der Vorgesetzten wurde der Streitpunkt, der eigentlich keiner war, beigelegt. So viel zur Behandlung von Deutschen durch eine deutsche Behörde, die Deutsche desintegiert, wenn man nicht massiv widerpricht.
Fazit: Was hat Deutschland in Bezug auf Integration seit dem Termin meiner Einschulung 1954 hinzugelernt:
NICHTS!
Die polnischen Mitbürger wurden nicht integriert oder die Integration wurde dem Zufall überlassen.
Die türkischen Mitbürger wurden nicht integriert, die Ghettobildung billigend in Kauf genommen. Diejenigen die integriert sind, haben es aus eigener Kraft geschaffft.
Die übrigen Migranten , ob es Spanier, Italiener, Griechen usw. waren, waren weitgehend auf sich selbst gestellt und die Integration ihrer Kinder war mehr oder weniger ein Zufallsprodukt.
Aus diesem Grund war ich immer ein Gegner des sogenannten Muttersprachlichen Ergänzungsunterrichts, der Integrations
behindernd war. Besser wären Kurse in deutscher Sprache und Kultur gewesen.
Wie will der Deutsche Staat nach einem Jahrzehnte langen Scheitern der Integration von Migranten den Integrationsschritt in einer Zeit schaffen, in der sich Europa desintegriert?
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Und übrigens bin ich der Meinung, dass unfähige Politiker Krisen verursachen.