Dienstag, 4. Oktober 2011

Wie Spanien zum Problemfall für Europa wurde

Politiker und Journalisten reden über die Finanzkrise und man sollte der Meinung sein, dass sie über fundiertes Wissen verfügen.

Es ist jedoch erschreckend, immer wieder festzustellen, dass Politiker meist nicht einmal das wissen, was sie auf ihren Arbeitsblättern, von "Experten" vorgefertigt, serviert bekommen. Dass die "Experten" vielfach mit "Nichtwissen" ausgestattet sind, entgeht den Adressaten vollständig.

Journalisten informieren sich prinzipiell besser, es sei denn, dass sie auf  Grund fehlender Fremdsprachenkenntnis nicht in die Wirtschaftsrealität eines Landes eintauchen können.

So geschehen in vielen Medien und zuletzt in der "Süddeutsche Zeitung", in der Nikolaus Pieper u.a. schreibt;

"Spanien und Irland erwirtschafteten vor Ausbruch der Krise Haushaltsüberschüsse. Noch heute ist der Schuldenberg Spaniens (68,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, BIP) niedriger als der Deutschlands (82,4 Prozent). Die spanische Krise lässt sich jedenfalls aus der Haushaltspolitik nicht deuten."

Sehr wohl lässt sich die Krise aus der Haushaltspolitik erklären. Die spanische Wirtschaft stand auf den Füßen von drei Monokulturen: Obst/Gemüse, Tourismus und Bauwirtschaft. Traditionell besitzen über 80% der spanischen Haushalte eine Eigentumswohnung, sehr viele besitzen mehrere Wohnungen.

Schon in den 90er Jahren begann in Spanien ein Bauboom im großem Umfang, nicht weil es einen realen Bedarf gab. sondern weil aufgrund von Spekulation die Wohnungen bis ca. 2005 einen jährlichen Wertzuwachs im zweistelligen Prozentbereich auswiesen. Als Konsequenz wurde bei der jüngeren Bevölkerung die Ausbildung zugunsten der hohen Verdienstmöglichkeiten im Baugewerbe aufgegeben. Die direkten Steuereinnahmen stiegen extrem und aufgrund des explodierenden Konsums vervielfältigten sich auch die Einnahmen durch die Mehrwertsteuer. 
Dem Staat flossen zudem noch hohe Einnahmen aus EU-Strukturmittel zu.

Durch den Bauboom und Erstellung von zig Millionen von Wohnungen kassierte der Staat bei Neubauten (Ersterwerb) 7% Mehrwertsteuer, währenddessen die Einnahmen aus Käufen des Zweiterwerbs (ebenfalls 7%) als "Transaktionssteuer" an die Autonomen Regionen ging. Die Städte und Gemeinden kassierten nochmals bei Zweiterwerb/Altbauten die Steuer für den "Mehrwert" der zwischen dem Erst- und Zweiterwerb aufgelaufen war.
Alle Zuliefer- und Ausstattungfirmen für den Bau- Wohnbedarf boomten.

Als reales Beispiel für die in Spanien übliche Immobilienspekulation des letzten Jahrzehnts:

Wohnungspreis bei Planung : 96.000 Euro
Wohnungspreis bei Fertigstellung: 130.000 Euro
Wohnungspreis bei Wiederverkauf der unbenutzten Wohnung nach 2 Jahren 165.000 Euro

Beispiel für die Finanzierung als Spekulationsobjekt.

1) Es wurde ein privater Kaufvertrag über die Wohnung abgeschlossen mit der Option, dass die Grundbucheintragung auch auf andere Personen übertragen werden kann.

Kaufpreis. 96.000 Euro fällig bei Grundbucheintrag. 
Es fallen 6.000 Euro an Reservierungskosten an.

2) Die Wohnung ist erstellt. Man hat einen Käufer für 130.000 Euro gefunden. Auf seinen Namen findet die Grundbucheintragung statt, jedoch auf den Preis von 96.000 Euro. Steuerfreier Gewinn (schwarz): 28.000 Euro in 2 Jahren bei einem Einsatz von 6.000 Euro.

3) Der Neubesitzer verkauft nach 2 Jahren für 165.000 Euro.

Beispiel für die Finanzierung als Wohnobjekt:

1) Kaufpreis 130.000 Euro; Eigenkapital: 0
2) Finanzierungskosten für Steuern, Notar und Hypothekensteuer 10%, total:143.000 Euro
3) Maklerkosten 12.000 Euro: total 155.000
4) Möbel und Hauselektronik: 20.000: total 175.000 Euro
5) Neues KFZ 35.000 Euro; total: 210.000 Euro

210.000 Euro wurden ohne Probleme in Spanien ohne Prüfung von den Banken finanziert. Man vertraute auf eine jährliche Wertsteigerung der Immobilien von 10-12,5 %.

Durch diese Art der Finanzierung wurde der Innlandsverbrauch und somit die Staatseinnahmen massiv gesteigert.

Die Situation heute:

Aufgrund des Zusammenbruchs der Immobilienblase in Spanien wurde aus der Euro-Fiesta ein Trauerspiel. Beispiel, die o.a. Immobilienfinanzierung:

Hypothekenwert der Immobilie: 210.000 Euro
Verkehrswert nach dem Zusammenbruch des Markten: 58.000 Euro
Die Hypothek wurde nicht mehr bezahlt, weil der Erwerber seinen Job verloren hat (zur Zeit über 5 Millionen Arbeitslose in Spanien = über 21%)
Zwangsversteigerung oder Rückkauf durch die Bank zum Verkehrswert von 58.000 Euro; Abwicklungskosten.
Restschulden zu bezahlen: 152.000 Euro, die Immobilie ist weg. Die Kosten begleiten den ehemaligen Eigentümer ein Leben lang  und werden auf seine Kinder vererbt. Privatinsolvenz gibt es in Spanien nicht.

So sieht es in unzählbaren Familien in Spanien aus.

Das Problem Spaniens ist nicht so sehr die Staatsverschuldung (auch sie dürfte kreativ bearbeitet sein) sondern die extreme Verschuldung der Privathaushalte, Gemeinden und Autonomen Regionen, die extrem hohe und noch immer wachsende Arbeitslosigkeit, die ausstehenden Strukturänderungen, das ungebremste Verlangen nach Konsum auf Pump und die Liquidationsklemme der kleinen und mittleren Unternehmen (PYMES). 

Für den Kenner ist Spanien schon pleite.




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