Freitag, 31. August 2012

Schuldenkrise, Stammtische und TV-Talkrunden

Verteufel kann man alles, besonders, wenn man sich für den Nabel der Welt und des ökonomischen Verständnisses hält.

Nur sollte man berücksichtigen, dass man, lehnt man sich weit aus dem Fenster, herausfallen kann.

Financial-Times-Journalist Martin Kaelble meint, sich über die Allgemeinheit herausheben zu müssen und gibt seine Meinung in dem Artikel "Aus Schuldenstaaten werden Vorbilder" wieder.

Ausgehend von den Stammtischen und TV-Talkrunden, die "Alte Vorurteile und Klischees feiern", versucht er ein positives Bild lateinamerikanischer Staaten zu zeichnen, die sich, so meint er, in einer beneidenswerten Finanzsituation befinden.

Abgesehen davon, dass Vorurteile und Klischees eine gesellschaftliche Situation beinhalten, die Meinungsbildung vergangener Tage widerspiegeln, die durchaus einen realen Bezug zur Vergangenheit und manchmal auch eine Relevanz für die Gegenwart beinhalten können, gehören sie doch zur Realität des Menschseins, unabhängig vom Bildungsstand und sind sogar notwendig, vor allem bevor "man" zur Wahlurne schreitet.

Niemand kann die wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Realitäten eines jeden Landes auf jedem Kontinent so kennen, dass er immer die Adhoc-Situation richtig einschätzt. Sogar in den uns "fremden Ländern" werden national nach innen gesehene Vorurteile und Klischees bedient.

Wir sollten uns glücklich schätzen, wenn alle unsere Politiker über die Kenntnisse der Talkrunden und Stammtische verfügten. Aber das brauchen sie nicht, weil der Fraktionszwang so zu sagen vom selbständigen Denken entbindet.

Was die Inhalte des FTD-Artikels von Martin Kaelble angeht, so ist er so einseitig geschrieben, wie er Vorurteile und Klischees verteufelt.

Während letztere durch eine Analyse neuer Fakten korrigiert werden können, ist das hohe Lied auf die lateinamerikanische Wirtschaftssituation eine unausgegorene Meinung, die die gesellschaftliche Situation ausblendet, den Mangel an Demokratie, die Ausbeutung von Menschen, die Vernichtung von Natur und vor allem die weit auseinanderklaffenden sozialen Realitäten in Gesellschaften, in denen ein Menschenleben eben nicht den Wert hat, wie in Deutschland.

Betrachtet man aber nur den wirtschaftlichen Aspekt, so lassen sich Einzelstaaten mit jeweils nationalen Währungen nicht mit dem Europakonstrukt vergleichen. Hier liegt ein massiver Denkfehler des Autoren vor.

Unbestritten ist, dass theoretisch die Möglichkeit gegeben ist, dass "Länder wie Spanien und Portugal als Reformstars gefeiert werden".

Wer aber in Spanien wohnt und sowohl die wirtschaftliche Hochphase als auch den Eintritt in den "Reformkurs" mit erlebt, wird den Verlust von Freiheit, von Demokratie und die Verrohung in der Gesellschaft anders empfinden als in Deutschland, wo es ein soziales Netz gibt.

Europa hat versagt, denn es hat den Eintritt der so genannten heutigen "maroden Staaten" nicht moderiert.

Europa, das sind die beteiligten Politiker, ihre Berater und  Journalisten, die ihrer Kontrollaufgabe nicht nachgekommen sind und auch uns Bürger nicht informierten. So  haben sie eine  an der Realität orientierte Meinungsbildung nicht stattfinden lassen.

Aber möglicherweise sollte dem "Normalbürger", der sich nur über TV-Talkrunden informiert und seine Klischees pflegt, das Wahlrecht aberkannt werden.

Es sei denn, er liest die Financial-Times-Deutschland und verfügt über einen hinreichenden Intellekt, sie zu verstehen und sich kritisch mit den Inhalten auseinander zu setzen zu können 

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 "Und übrigens meine ich, dass unfähige Politiker Krisen verursachen."

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