Freitag, 4. Oktober 2013

Funktioniert “Europa” für die Bürger? Ein Erfahrungsbericht


Die Bürgernähe ist ein Anliegen, das von der Europäischen Union hochgehalten wird. Es werden von Brüssel auch immer wieder Fallbeispiele angeführt, die zeigen sollen, dass das Feedback mit den Brüsselner Behörden funktioniert und der Bürger, wenn er sein Recht auf Freizügigkeit in den Mitgliedstaaten der EU wahr nimmt, nicht allein gelassen wird.


Nimmt der Bürger jedoch diese Aussage ernst und kontaktiert die entsprechenden Dienste, gelangt er vielfach zu der Erkenntnis, dass diejenigen, die sich “seiner Sache annehmen”, überbezahlte EU-Beamte sind, die geschickt mit Textbausteinen umgehen. Die Antworten, die man erwarten kann, gehen knapp am Thema vorbei oder verfehlen es vollständig. 

Man vermisst, dass sich die Sachbearbeiter auf das dargestellte Problem einlassen. Der Grund dafür liegt zweifellos an der fehlenden Qualifizierung. Das diesbezügliche Profil ist rein technokratisch und versucht im besten aller Fälle, eine Kompromisslösung zu finden, die eine Auseinandersetzung mit den nationalen Behörden, in denen sich das Bürgerproblem manifestiert, geschickt umgeht.

Unter dem Strich wird der Eindruck erweckt, dass bei den EU-Sachbearbeiter-Beamten das selbständige Denken unerwünscht ist. Denn es könnte zu Erkenntnissen führen, die zu Konflikten zwischen der EU und Mitgliedsstaaten führen. Und welcher der vielen überbezahlten und unterqualifizierten “Sherpas” möchte schon vor seinem Generaldirektor als derjenige darstehen, der auf Bürgerinitiative eine Lavine auslöst.

Das sind Erfahrungen mit der Europa-Technokratie eines Jahrzehntes.

Im aktuellen Fall geht es um den im deutschen Steuerrecht verankerten “Progressionsvorbehalt” bei Einkünften eines deutschen Bürgers im EU-Ausland, der in Deutschland uneingeschränkt steuerpflichtig ist, dessen Frau jedoch als Nichtdeutsche in ihrem Wohnstaat, der gleichfalls ihr Nationalstaat ist, eine Teilzeittätigkeit ausübt, die hier ordnungsgemäß versteuert wird. Aufgrund des “Progressionsvorbehaltes” im deutschen Steuerrecht werden dann diese Einkünfte, die im eigenlichen Sinne nicht der deutschen Steuerhoheit unterliegen, dem deutschen Einkommen des Ehemannes zugerechnet und über den Progressionsvorbehalt nochmals besteuert.

Das Finanzamt Düsseldorf-Süd betrachtet den Fall pragmatisch, das heißt, ohne Hinterfragung der Rechtsmäßigkeit in Bezug auf ein existierendes Doppelbesteuerungsabkommen bei der in frage stehenden Konstellation.

Da wahrscheinlich bei der Bewertung der Anwendung des “Progressionsvorbehaltes” im speziellen Fall durch das Finanzamt gar keine, eine Fehlinterpretation oder eine vermutlich wissentliche Manipulation der Rechtslage vorliegt, wurde u.a. bei der Europäischen Kommission, beim Kommissar für Steuern und Zollangelegenheite eine Anzeige gegen den Finanzminister des Bundeslandes NRW, Norbert Walter-Borjans, als Vertreter des Landesregierung NRW, und gegen den Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, (zuständig für Grundsatzangelegenheiten im Internationalen Steuerrecht) als Vertreter der Bundesregierung, wegen vermutlicher Rechtsbeugung im Amt eingereicht.

Der zuständige Referatsleiter übertrug die Beantwortung der Anzeige an eine EU-Aussenstelle in Luxemburg, wo ein nachgeordneter Sachbearbeiter sich der Sache annahm.

Zuerst wollte der Sachbearbeiter mit einem persönlichen Anruf die Sache „beerdigen“.

Die Anzeige wurde zu einer ordinären Beschwerde umgewidmet. Die telefonische Argumentation war durchweg fehlerhaft, die Prämissen so gedreht, dass sie der Argumentation der deutschen Finanzgesetzgebung statt gaben. Aber die Krönung der angesagten Inkompetenz war die Argumentation des Sachbearbeiters mit einem Artikel aus der Wikipedia.

Weil  auf eine schriftliche Antwort bestanden wurde, kam diese, die man als Beweis des Europäischen Dilettantismus betrachten kann. Der Hinweis, dass  die Sache nochmals, jedoch dieses Mal über den Vizepräsidenten der Europäischen Kommission Joaquín Almunia vorgelegen werde, erhielt die lapidare Bemerkung, dass sie wieder in Luxemburg landen würde. Im Unterton merkte man jedoch, dass man das Vorhaben nicht ernst nehme.

Am 17. September wurde ein Schreiben, versehen mit einem persönlichen Anschreiben an den Vizepräsidenten der EU-Kommission in die Post gegeben.

Am 30. September ging ein persönliches Schreiben des Vizepräsidenten Almunia ein, dass er das Schreiben erhalten und zur weiteren Bearbeitung an seinen Kommissarkollegen mit der Bitte übermittelt habe, das Anliegen angemessen zu bearbeite.

Unter dem Vorbehalt der weiteren Bearbeitung der Angelegenheit, die für alle EU-Bürger in gleicher Situation von Bedeutung ist, kann  festgestellt werden, dass Europa auf der höchsten Kommissionsebene funktioniert.

Hoffentlich für jeden!

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