Die Bürgernähe ist ein Anliegen, das
von der Europäischen Union hochgehalten wird. Es werden von Brüssel
auch immer wieder Fallbeispiele angeführt, die zeigen sollen, dass
das Feedback mit den Brüsselner Behörden funktioniert und der
Bürger, wenn er sein Recht auf Freizügigkeit in den Mitgliedstaaten
der EU wahr nimmt, nicht allein gelassen wird.
Nimmt der Bürger jedoch diese Aussage
ernst und kontaktiert die entsprechenden Dienste, gelangt er vielfach
zu der Erkenntnis, dass diejenigen, die sich “seiner Sache
annehmen”, überbezahlte EU-Beamte sind, die geschickt mit
Textbausteinen umgehen. Die Antworten, die man erwarten kann, gehen knapp am Thema vorbei oder verfehlen es vollständig.
Man
vermisst, dass sich die Sachbearbeiter auf das dargestellte Problem
einlassen. Der Grund dafür liegt zweifellos an der fehlenden
Qualifizierung. Das diesbezügliche Profil ist rein technokratisch und
versucht im besten aller Fälle, eine Kompromisslösung zu finden,
die eine Auseinandersetzung mit den nationalen Behörden, in denen
sich das Bürgerproblem manifestiert, geschickt umgeht.
Unter dem Strich wird der Eindruck
erweckt, dass bei den EU-Sachbearbeiter-Beamten das selbständige
Denken unerwünscht ist. Denn es könnte zu Erkenntnissen führen,
die zu Konflikten zwischen der EU und Mitgliedsstaaten führen. Und welcher der vielen überbezahlten und
unterqualifizierten “Sherpas” möchte schon vor seinem
Generaldirektor als derjenige darstehen, der auf Bürgerinitiative
eine Lavine auslöst.
Das sind Erfahrungen mit der
Europa-Technokratie eines Jahrzehntes.
Im aktuellen Fall geht es um den im
deutschen Steuerrecht verankerten “Progressionsvorbehalt” bei
Einkünften eines deutschen Bürgers im EU-Ausland, der in Deutschland
uneingeschränkt steuerpflichtig ist, dessen Frau jedoch als
Nichtdeutsche in ihrem Wohnstaat, der gleichfalls ihr Nationalstaat
ist, eine Teilzeittätigkeit ausübt, die hier ordnungsgemäß
versteuert wird. Aufgrund des “Progressionsvorbehaltes” im
deutschen Steuerrecht werden dann diese Einkünfte, die im
eigenlichen Sinne nicht der deutschen Steuerhoheit unterliegen, dem
deutschen Einkommen des Ehemannes zugerechnet und über den
Progressionsvorbehalt nochmals besteuert.
Das Finanzamt Düsseldorf-Süd
betrachtet den Fall pragmatisch, das heißt, ohne Hinterfragung der
Rechtsmäßigkeit in Bezug auf ein existierendes
Doppelbesteuerungsabkommen bei der in frage stehenden Konstellation.
Da wahrscheinlich
bei der Bewertung der Anwendung des “Progressionsvorbehaltes” im
speziellen Fall durch das Finanzamt gar keine, eine
Fehlinterpretation oder eine vermutlich wissentliche Manipulation der
Rechtslage vorliegt, wurde u.a. bei der Europäischen Kommission,
beim Kommissar für Steuern und Zollangelegenheite eine Anzeige
gegen
den Finanzminister des Bundeslandes NRW, Norbert
Walter-Borjans, als Vertreter des Landesregierung NRW, und gegen den
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, (zuständig für Grundsatzangelegenheiten im Internationalen Steuerrecht) als Vertreter der
Bundesregierung, wegen vermutlicher Rechtsbeugung im Amt eingereicht.
Der
zuständige Referatsleiter übertrug die Beantwortung der Anzeige an eine EU-Aussenstelle in Luxemburg, wo ein
nachgeordneter Sachbearbeiter sich der Sache annahm.
Zuerst
wollte der Sachbearbeiter mit einem persönlichen Anruf die Sache
„beerdigen“.
Die
Anzeige wurde zu
einer ordinären Beschwerde umgewidmet. Die telefonische
Argumentation war durchweg fehlerhaft, die
Prämissen so gedreht, dass sie der Argumentation der deutschen
Finanzgesetzgebung statt gaben. Aber die Krönung der angesagten
Inkompetenz war die Argumentation des Sachbearbeiters mit einem
Artikel aus der Wikipedia.
Weil auf eine
schriftliche Antwort bestanden wurde, kam diese, die man als Beweis des
Europäischen Dilettantismus betrachten kann. Der Hinweis, dass die Sache
nochmals, jedoch dieses Mal über den Vizepräsidenten der
Europäischen Kommission Joaquín Almunia vorgelegen werde, erhielt die
lapidare Bemerkung, dass sie wieder in Luxemburg landen würde. Im
Unterton merkte man jedoch, dass man das Vorhaben nicht ernst nehme.
Am 17. September wurde ein Schreiben, versehen mit einem persönlichen
Anschreiben an den Vizepräsidenten der EU-Kommission in die Post gegeben.
Am 30. September
ging ein persönliches Schreiben des Vizepräsidenten Almunia ein,
dass er das Schreiben erhalten und zur weiteren Bearbeitung an
seinen Kommissarkollegen mit der Bitte übermittelt habe, das
Anliegen angemessen zu bearbeite.
Unter dem
Vorbehalt der weiteren Bearbeitung der Angelegenheit, die für alle
EU-Bürger in gleicher Situation von Bedeutung ist, kann
festgestellt werden, dass Europa auf der höchsten Kommissionsebene
funktioniert.
Hoffentlich für
jeden!