Wieder einmal veröffentlicht die Financial Times Deutschland eine lesenswerte Kolumne von Tobias Bayer: "Ausgeben muss eine sichere Bank sein"und begründet die Haltung der Bürger in Deutschland mit dem Tenor, dass das Knausern in den "Institutionen liegt", die traditonsmäßig "das Sparen fördern".
Es geht also mit Blickrichtung auf andere Staaten, auch diejenigen der Europäischen Union einschließlich der Euro-Gruppe, um national erworbene Haltungen. Darum sollte man nicht den Antagonisten Deutschlands in der EU suchen, wenn es um europäische Belange geht, sondern in den nationalen Haltungen eines jeden EU / Euro-Gruppen-Staates mit seiner eigenen geldpolitischen Identität.
Das macht die eigentliche Problematik aus. Sie war immer vorhanden, wurde aber in Zeiten des Überflusses nie thematisiert, wohl auch, weil sowohl Politik und auch die Ökonomen wussten, dass sich hier eine Divergenz der Interessen auftut, die nicht zu lösen ist.
Aufgeschoben ist aber, wie sich in den letzten Jahren zeigt, nicht aufgehoben und die Realität hat uns erreicht.
Bayer zeigt auf, " Während Italien und Spanien für die Bevölkerung schmerzhafte Reformprogramme auflegen und ihre Hausaufgaben machten, lasse Berlin sie im Stich".
Wichtig bei der Analyse dieser Aussage ist die Perspektivität.
Die schmerzhaften Reformprogramme folgen nach einer Zeit von Prosperität, die im gleichen Zeitraum in Deutschland nicht vorhanden war. Das bezieht sich auf die Einkommen, die Renten und den Zuwachs an Immobilien.
Was also in den EU-Staaten mit den Finanzproblemen vor sich geht, ist nichts mehr als eine technische Korrektur, wie wir sie vom Aktienmarkt her kennen.
Die "Schmerzhaftigkeit resultiert in erster Linie aus den fehlenden finanziellen Rückstellungen in den guten Jahren, was natürlich markant auch für den Privatsektor in Spanien fest zu stellen ist.
Aus dem Überfluss in den Sparmodus übergehen zu müssen ist hart, wenn man es nicht gelernt hat.
Bezüglich der "Hausaufgaben", die zu machen seien, gibt es natürlich auch die verschiedesten national bezogenen Perspektiven, die vielfach nicht einmal eine gemeinsame Schnittmenge ausweisen.
Sind es Hausaufgaben, die der deutsche politische "Oberlehrer" aufgibt, wird man sich schlichtweg weigern, sie umzusetzen, weil sie nicht in das vorhandene nationale Konzept (jedes Land verfügt über eigene) passen.
Am Beispiel Griechenlands lässt sich diese These gut nachweisen: Zur Befriedigung der Geldgeber werden Absichtserklärungen unterschrieben, die niemals erfüllt werden. Hier wendet man eine nationale Taktik an, die so lange funktioniert, bis die Geldgeber an ihren Verlusten ersticken.
Das Ändern national erworbener Haltungen ist extrem schwierig. Erinnert man sich an die Migranten (früher Gastarbeiter) konnte man sehr gut sehen, dass sie mit dem Anliegen, Geld z.B. in Deutschland zu verdienen, Erfolg hatten. Eine reduzierte Ausgabenstruktur (Sparen) verhalf ihnen zu Geldmitteln, die sie zum Unterhalt der Familie und zwecks Vermögenszuwachs in die Heimat schickten.
Diese Gelder, die zum Beispiel nach Spanien gingen ("remesas" genannt) wurden kostenfrei über Niederlassungen spanischer Banken in die Heimat überwiesen.
Hatte man den Entschluss gefasst, nach einiger Zeit zurück zu kehren, war die in Deutschland gelebte Haltung nicht mehr existent, man lebte wieder nach spanischen Handlungsstrukturen, vom Frühstück in den "Bares" über den "Aperitivo" vor dem Mittagessen bis hin zum regelmäßigen Restaurantessen.
Das ist ein national übliches Verhalten und absolut stimmig innerhalb des Kulturraumes. Es steht uns auch nicht zu, es zu kritisieren.
Es zeigt aber auch, dass es bei der Fülle nationaler Identitäten der EU-Raumes unmöglich ist, einen Konsensus herzustellen, auch nicht in der Wirtschafts- und Finanzwelt.
Möglichweise schafft man es, eine kleinste gemeinsame Schittmenge zu erhalten.
Ob das aber zum Überleben der Euro-Zone und der EU in der heutigen Form reicht, ist zu bezweifeln.
Ob "Berlin" jemanden "im Stich lässt", ist ist eine nicht zulässige Frage oder Feststellung. Im Stich lassen kann man nur jemanden, gegenüber dem man ein Abhängigkeits- oder Treueverhältnis hat. Dieses besteht, wenn überhaupt, nur im Miteinander.
Im vergangenen Jahrzehnt wurden Einkommen, Renten, Pensionen und Sozialleistungen in Deutschland massiv gekürzt.
Man muss sich also wegen des Prinzips der Reziprozität fragen, warum die in dieser Zeit boomenden EU-Länder keine Hilfeleistungen an Deutschland gezahlt haben sondern alles in eingene Sozialleistungen und in eigenen Konsum gesteckt haben?
Dienstag, 24. Januar 2012
Merkel, Kanzler der Bundesrepublik Deutschland?
Bei allem Wohlwollen für Angela
Merkel in all ihren Funktionen muss man sich langsam die Frage
stellen, ob ihre Berater und sie jemals an eine Hierarchisierung von
Aufgaben und Interessen gedacht haben.
Sie betreibt eine Politik, von der
niemand weiß, wohin sie führt. Um überhaupt eine Richtung
einschlagen zu können, muss auch ein Bundeskanzler Grob- und
Feinziele definieren, wodurch Handlungsabsichten und Handlungen
bedingt werden.
„Viele Wege führen nach Rom“, sagt
der Volksmund, aber der eine ist kürzer, der andere ist länger und
der letzte ist nur eine Aproximation, man nähert sich dem Ziel, ohne
dass man real je ankommt, das kennen wir aus der
Infinitesimalrechnung.
Angela Merkel ist nicht die
„Teflon-Merkel“ wie sie die Amerikaner sehen. Das ist eine
oberflächliche Betrachtung, weit entfernt von der Realität.
Richtiger ist die Betrachtung, die in
der Rheinischen Post vom 23.01.2012 unter der Überschrift: „Lagarde
und Merkel“ vorgenommen wird, weil sie analytisch begründet ist.
Positionen, die Merkel als feste Größe
definiert, werden unter dem stetigen Druck von außen langsam und
sicher aufgegeben und das „non“ wird zu einen „oui“, die
Nicht-Belastung des deutschen Steuerzahlers wird zu einer Belastung.
Die nicht-deutsche Politik kann dieses Verhalten Merkels als eine
anzunehmende Große in ihre Planung aufnehmen. Das ist höchst
gefährlich.
So ist der Schlusssatz des Artikels in
der Rheinischen Post kennzeichnend für die Handlungsstrategie
Merkels:
„Erst 'non' gesagt, dann doch
gezahlt- nach diesem Muster verläuft Merkels Politik in der
Euro-Krise seit zwei Jahren.“
Geht man von politischen
Handlungszielen der deutschen Politik aus und nimmt das Resultat des
Handelns der Frau Bundeskanzler ernst, betreibt sie faktisch den
Ausverkauf vitaler deutscher Interessen.
Zu welchem Wohl, das mag nur sie
wissen.
Im europäischen Ausland stelle ich
aber fest, dass hier konsequent nationale Ziele verfolgt werden, die
Europa (sprich Deutschland) nur als Geld- und wirtschaftlichen
Impulsgeber betrachtet haben und betrachten.
Das gute Deutschland ist das, das ein
sorgenfreies Leben im Überschuss garantierte. In Krisenzeiten wird
die dunkle Seite Deutschlands bemüht, die andere zum Maßhalten, zum
Sparen zwingt.
Und niemand im europäischen Ausland
denkt daran, dass das, was von Deutschland durch Transferleistungen,
EU-Krediten, Rettungsschirmen, EZB-Maßnahmen verteilt wurde und
wird, von deutschen Arbeitnehmern durch Steuern finanziert ist.
Montag, 23. Januar 2012
Schuldenkrise aus der Perspektive des Elfenbeinturms?
Beraten Ökonomen über die
Schuldenkrise der Mittelmeerstaaten, hat man oft den Eindruck, dass
die Unwissenheit, Resultat einer wirtschaftswissenschaftlichen
Betrachtung ohne Wissenschaft, zu Aussagen führt, die fast ins
Lächerliche abgleiten.
Aus dem Kieler Institut für
Weltwirtschaft (Bericht in:" boerse-go.de"), hier Elfenbeinturm genannt, sieht man einerseits „die
Gefahr einer Staatspleite in Griechenland, eine Aussage, die
mittlerweile auch schon der unbedarfte Bürger auf der Königsallee
in Düsseldorf äußern kann, andererseits sehen die Ökonomen, eine
„Angst vor dem Dominoeffekt -Griechenland, Portugal, und Spanien“,
vergessen aber Italien, Irland und Belgien.
Der Dominoeffekt tritt jedoch nur ein,
wenn der Stein Griechenland fällt und Portugal und Spanien in ihren
Grundfesten so erschüttert werden, dass sie auch fallen.
Andererseits sind die Grundfesten von Portugal und Spanien schon so
gelockert, dass sie auch selbst fallen, ohne dass sie des Impulses
Griechenlands bedürfen.
Der in der IfW-Analyse genannte
„gesellschaftliche Mentalitätswechsel“ ist ein wichtiger
Faktor, der ursächlich an der Entstehung der Schuldenkrise beteiligt
war. Der intellektuelle Fehler liegt jedoch darin, dass dieser
„gesellschaftlicher Mentalitätswechsel“ nicht nur für
Griechenland gilt, sondern auch für Portugal, Spanien, Belgien und
alle anderen Mitgliedsstaaten der EU und Eurogruppe.
Hier zeigt sich der Kardinalfehler bei
der Konstituierung der Europäischen Union, die in der
Zusammenführung der „Mentalitäten“ versagt hat. Dieser Fehler
hätte auch zu keiner Zeit korrigiert werden können, denn die
Zusammenführung von „Mentalitäten“ ist eine heute fast nicht zu
lösende Aufgabe. Sie würde in großem Maße zu Identitätsverlust
und zu Entwurzelung und Verfremdung der Menschen in den
Mitgliedstaaten führen.
Die einzige Möglichkeit, bei der
Konstituierung der EU diese unterschiedlichen „Mentalitäten“,
das sind geschichtlich-kulturell-soziologische Unterschiede,
begrenzt relativieren zu können, hätte zu einem Vertragsvolumen
hinsichtlich der Beherrschbarkeit geführt, das die EU ad absurdum
geführt hätte.
Die Nichbeachtung dieser Unterschiede
haben schließlich ebenfalls die Europäische Idee der „alten
Schule“ de facto zum Scheitern gebracht, nur auf politischer Ebene
entzieht sich die Erkenntnis noch der Realität.
Das Kieler Institut meint: „Spaniens
Wirtschaft steckt ebenfalls in der Krise, doch erreicht die
bestehende Schieflage keine griechischen oder auch nur portugiesische
Dimensionen.“
Dabei vergessen die Professoren, dass
sie nicht kohärent argumentieren, denn wenn sie das Konzept der
„Mentalitäten“ weiter gedacht hätten, wäre ihnen aufgefallen,
dass man die Dimension eines Landes nicht mit der eines anderen
vergleichen kann, weil sie zwangsläufig anders sind. Das heißt
jedoch nicht, dass die Schieflage Portugals und Spaniens nicht
euro-bedrohend seien.
Mit Verlaub. Sie sind es. Das weiß
natürlich nur derjenige, der nicht im Elfenbeiturm sitzt und sein
Wissen nicht nur akademischen Aufsätzen oder Statistiken
(Vorsicht!) entnimmt, sondern sein Ohr auf den Patienten legt.
Zwischen Portugal und Spanien liegen Welten, so wie zwischen
Frankreich und Deutschland. Nur die relative Verknüpfung zwischen
diesen Welten mag für eine Interdependenz von Bedeutung sein.
Da ein Großteil portugiesischer
Schuldverschreibungen von spanischen Banken gehalten werden, wird ein
Straucheln Portugals zu massiven Problemen in der spanischen
Bankenlandschaft führen, die schon angezahlt ist.
Die Rekordarbeitslosigkeit in
Griechenland ist gemessen an der spanischen Arbeitslosigkeit, die
geschönt bei 22% liegt, fast irrelevant.
Die autonomen spanischen
Regionen sind meist so verschuldet, dass sie bald Hilfsanträge an
die Zentralregierungen stellen müssen. Die Gesundheits- und
Medikamentenkosten sind explodiert und werden in vielen Regionen
nicht mehr bezahlt, so dass die Schulden an nicht bezahlten
Medikamenten bald in den zweistelligen Milliardenbereich gehen
werden.
Die extreme Verschuldung der Privathaushalte, die ohne
„Privatinsovenz“ auskommen müssen, ist der Mühlstein um den
Hals der spanischen Gesellschaft.
Was die angesprochenen Strukturreformen
angeht, so kommt man damit zehn Jahre zu spät. Das notwendige Geld
ist in den Konsum und die Immobilienspekulation eingeflossen. Es ist
schlichweg vernichtet.
Exportorienterung wäre natürlich die
optimale Voraussetzung für eine Konsolidierung Spaniens.
Die wirtschaftliche Monokultur
Obst-/Gemüse und Tourismus sind aber nicht geeignet kurz- , mittel-
oder langfristig die Finanz-/Wirtschaftslage des Landes zu
verbessern.
Bei optimalem Erfolg des so genannten
Reformkurses wird Spanien ein Jahrzehnt benötigen, um halbwegs auf
den Stand des Jahres 2000 zu kommen. Und das nur bei optimalem
Wachstum, das bekanntlich kein Dauerzustand ist und auch nicht sein
wird.
Eine relative Chance zu Behebung der
Krise ist nur bei einem Austritt aus der Euro-Zone möglich, was auch
für weitere Euro-Zonen-Staaten gilt.
Die Verwerfungen, die dadurch
zwangsläufig entstehen werden, sind das kleinere Übel und das Geld
für Rettungskredite und Rettungsschirme wäre besser in eine
Umstrukturierung der Euro-Zone investiert worden. Diese Chance ist
politisch nicht gewollt worden.
Der Realitätsdruck wird die Politik
jedoch dazu zwingen.
ESM Rettungsschirm soll weiter aufgeblasen werden
Nach einer dapd-Pressemitteilung
sprechen sich der italienische Ministerpräsident Monti und der
italienische EZB-Präsident Draghi für eine Aufstockung des ESM
Rettungsschirms aus und setzten so Deutschland unter Druck.
Draghi schlägt eine 50-pozentige
Erhöhung auf 750 Milliarden Euro vor, währenddessen sein Landsmann
Monti noch einmal 250 Milliarden zusätzlich für notwendig
betrachtet,
Monti, der möglicherweise schon an
eine drohende Insolvenz Italiens denkt, möchte seine Sorgen mit
einer satten Billion „glatt gebügelt“ sehen.
Sollte es wirklich zu einer solchen
immensen Aufstockung des ESM Rettungsschirms kommen, ist mit großer
Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass durch den nachlassenden
Reformdruck auf die EU-Wackelkandidaten die Obergrenze weiterhin nach
oben offen ist.
Für Merkel wird die Sache sehr
bedenklich, denn die vom Bundesrat beschlossene Obergrenze, die schon
durch diverse Kunstgriffe seitens der EZB unterlaufen wurde, käme
dann für Deutschland endgültig in ruinöse Dimensionen, falls sie
sich zurzeit nicht schon darin befindet.
Es wäre nun wirklich an der Zeit, dass
das Bundesverfassungsgericht einschreitet, denn unsere freiheitlich
demokratische Ordnung sollte davon ausgehen, Schaden vom deutschen
Volk abzuhalten.
Ob die Politik in Deutschland diese
Maxime im Blickfeld hat, ist mittlerweile in Zweifel zu ziehen.
Sonntag, 22. Januar 2012
Löst Prof. Max Otte die Schuldenkrise?
In einem Punkt hat Max Otte
uneingeschränkt Recht, wenn er sagt: „ Falls man diese Krise lösen
möchte, brauchte man nur den politischen Willen dazu.“
Andererseits ist der politische Wille
an sich nur eine Lösungsoption, denn die Komplexität der
interagierenden Konstellationen lassen sich nicht unbedingt in eine und alleinige
problemlösende Richtung lenken.
Die Schaffung der Europäischen Union
und der Euro-Zone zur Entflechtung der Nationalstaatlichkeit in den
diversesten Aspekten, von der Verbannung der Kriegsgefahr aus Europa
bis hin zu der Öffnung neuer Märkte und dem Abbau der
Wirtschaftsbarrieren hat gezeigt, dass es durchaus normal ist, dass
bei der Lösung eines Problems viele andere entstehen werden.
Die Komplexität des Europa-Konstruktes
hat gezeigt, dass proportional auch die Zahl der Probleme ansteigt,
man mag sogar der Auffassung sein, dass sie exponentiell anwachsen.
Jeder politische Wille, und damit ist
die Aussage von Otte zum Allgemeinplatz degradiert, ist juristisch
und dann nachgeordnet in allen Lebenslagen so durchsetzbar, dass
Veränderungen eintreten können.
Den Euro für „eine ganze Reihe von
wirtschaftlichen Überhitzungen verantwortlich“ zu machen, ist
nichts anderes, als am Thema vorbei zu reden. Es ist nicht der Euro, letzendlich moralisch wertneutral, dem die Verantwortung zu übertragen
ist. Es sind, so wie Otte es im Ansatz richtig erkannt hat, die
politischen Vorgaben, die leichtfertig und ohne hinreichende Abwägung
der Konsequenzen fast ausschließlich auf der Basis von
wirtschaftlichen Überlegungen von POLITIKERN auf den Weg gebracht
wurden, die im Grunde an vieles dachten, nur nicht an die
soziokulturellen Unterschiedlichkeiten in den EU-Länder, die
unterschiedliche Denk- und Handlungsstrukturen einbrachten, die
gegenseitig nicht verstanden wurden und bis heute nicht verstanden
werden.
Auch den Dollar als diejenige
Währungsgröße darzustellen, die in Verteidigung ihres
„Reservestatus“ den Euro attackiert, kann nur eine
Teilbetrachtung der heutigen Problematik sein.
Richtig ist, und somit widerspreche ich
Otte aufs Heftigste, der weltweite Verfall des Geld- und damit
Handelssystems. Und hier hat noch niemand der großen Ökonomen eine
Alternative angeboten, weil sie sich alle, ohne Ausnahmen, in
konzentrischen Kreisen um den Geldfluss in der jetzigen Form bewegen,
außerstande, durch einen Systembruch neue Denkansätze und
Handlungskonzepte zu entwerfen.
Was Otte schließlich vorschlägt,
unterstreicht nochmals die Eindimensionalität des ökonomischen
Denkens: „Wir brauchen in Europa dringend Haircuts“.
Damit greift er zurück auf eine finanztechnische Rückführung auf den „vorherigen Stand“, das
heißt auf ein finanztechnisch abgesenktes Niveau, das Wachstum wieder
zulässt, weil vorher Werte vernichtet wurden.
Kurzum: Wir suchen Ersatzhaltungen für
das, was vor garnicht so langer Zeit Epidemien und Kriege geleistet
habe.
Damit werden uns von den Ökonomen die
Grenzen unserer Existenz und Essenz aufgezeigt.
Annehmen müssen wir sie nicht.
Die Schuldenkrise: Eine Realität jagt die andere
Die Unternehmensberatungsagentur McKinsey ist der Meinung, dass Griechenland aus dem Europäischen
Währungsraum austreten solle. „ Es könne der Fall eintreten, dass
ein 'geordneter Austritt' aus der Eurozone für Griechenland das
kleinere Übel ist, trotz aller damit verbundenen Probleme“. Das
ist die Meinung des Deutschlandschefs der Agentur, Frank Mattern,
abgegeben in der FAZ Sonntagszeitung.
Die Auswirkungen eines geordneten
Austritts Griechenlands auf Länder wie Italien oder Spanien seinen
„vermutlich beherrschbar“, so die Darstellung der Agentur AFP vom
22.01.12.
Zu hinterfragen ist die in der Politik
und der Presse verwendete Begrifflichkeit des „geordneten
Austritts“ oder der „geordneten Insolvenz“ in anderen Beiträgen.
In beiden Fällen handelt es sich um
psychologisch geschickte Versuche, dem Leser, dem Bürger
schlechthin, die Furcht von dem Unbekannten zu nehmen.
Ist etwas kalkulierbar, dann ist es
auch beherrschbar, kurz gesagt, die Politik hat die Lage im Griff.
Ein geordneter Austritt Griechenlands
oder auch eine geordnete Insolvenz, die „vermutlich beherrschar“
seien, stehen im Widerspruch zu kalkulierbaren Konsequenzen und sind
nur geeignet, eine Art von Opiatwirkung beim Bürger zu erzeugen.
Lassen wir uns nicht hinters Licht
führen: So wie es keine allgemeingültigen Rezepte für die Lösung
der Schuldenkrise gibt, so ist auch ein Austritt Griechenlands aus
der Euro-Zone nicht so anzusehen, dass alle Faktoren kalkuliert
beherrschbar seien.
Die nicht kakulierbare Beherrschung der
Problematik jedoch als Grund anzusehen, auf einen Austritt
Griechenlands aus der Eurozone zu verzichten, wäre absolut falsch.
Man muss eine Entscheidung auf sich nehmen und wenn die Konsequenzen
sich abzeichnen, muss man weiter entscheidungs- und handlungsfähig
bleiben.
Absolute Sicherheit kann und wird es
nicht geben, aber die Strategie, mit immer größeren Geldmengen die
Problemlösung erkaufen zu können, hat sich schon jetzt als
Fehlspekulation erwiesen.
Wenn man die Europäische
Trauergeschichte, früher Erfolgsstory genannt, betrachtet, glaubte
man auch, dass die Entwicklung nur in die positive Richtung laufen
würde.
Auch die Schaffung der EU und der
Euro-Zone war eine Entscheidung mit vielen (teils unbekannten)
Variablen, die zu einer nicht beherrschbaren Situation führte.
Wir befinden uns nicht in einer Ausnahmesituation sondern wir sind voll in der Realität.
Wenn man in der diachronen Betrachtung feststellt, dass Realitäten einem konstanten Wandel unterworfen sind, hat man nicht den Stein des Weisen entdeckt.
Samstag, 21. Januar 2012
Die EU und die Euro-Zone: Eine Kriminalgeschichte?
Wenn es nicht für viele
Menschen in Europa und darüber hinaus dramatisch werden könnte,
wären die Titel der Presseberichte über die Schuldenkrise geeignete
Kapitelüberschriften für einen spannenden Krimi.
Denken wir jedoch an die
Hauptakteure, diverse Politiker im Euro-Raum, sehen wir sofort, dass
es sich hier nicht im Fiktion handelt, es ist grausame
Realität, die uns zugemutet wird, ohne dass jemand sagt: Jetzt
reicht es! Schluss mit den so genannten Rettungsaktionen, Schluss mit
dem Verbrennen von hart erwirtschaftetem Geld und vor allem, Schluss
mit der Betrügerei.
Man kann, verwendet man das
angesammelte Wissen der vergangenen Jahre, durchaus annehmen, dass es
einmal eine Europäische Idee gab, die voller Idealismus strotzte,
dass diese aber im Laufe der Umsetzung korrumpiert wurde, es wurde
gelogen, betrogen, verfälscht, verschleiert und manipuliert.
Wenn es nicht Aktionen unter
den EU-Mitgliedsstaaten waren, dann wurden diese auf den jeweils
nationalen Ebenen, innerhalb der einzelnen Mitgliedsstaaten
vollzogen. Bürgern wurde der Eindruck vermittelt, dass die EU zu mehr
Wohlstand führe, dass mit der Einführung des Euro eine Erfolgsstory
begründet würde, die die Menschen in den Mitgliedstaaten in eine Art
Schlaraffenland katapultierte, ohne viel Mehraufwand, ohne handfest
mitzuarbeiten und vor allem ohne jeglichen Verzicht.
Alle würden wir von Europa
profitieren. Alle würden wir vom Euro profitieren. Mit diesen
Aussagen haben uns die Politiker, Banker und Großunternehmen
geködert.
Und niemand sage, weder in
Griechenland noch in Portugal, noch in Irland, noch in Spanien und
auch nicht in Italien, den übrigen EU-Ländern und der Europäischen
Union selbst, dass eine Entwicklung der Schuldenkrise nicht absehbar
gewesen wäre.
Die Annäherung an den
Absturz in der EU / Eurozone war sehr wohl bekannt und nicht nur
hier, sondern auch in allen anderen Wirtschaftsräumen. Warum nichts
geschah, auch das wissen wir und es wurde schon häufig thematisiert:
Die Gier nach Bereicherung.
Diese haben wir immer in
Bezug auf die Banken gesehen, aber mittlerweile wird es immer
deutlicher, die Regierungen der EU- / Euro-Gruppen-Länder waren ebenso
involviert wie auch andere Nationen, die in der Weltwirtschaft ein
Wort mitsprechen.
Dachte man noch vor kurzer
Zeit, dass der ehemalige Ministerpräsident Papandreou eine
Lichtgestalt für sein Land war, der versuchte, auch für Europa zu
retten, was noch zu retten war, so werden wir jetzt eines Besseren
belehrt: Vermutlich hat auch Herr Papandreou uns betrogen (Papandreou
droht Anklage wegen Statistik-Fälschung; in: Deutsche Mittelstands
Nachrichten vom 21.01.12).
Wie schon im vergangenen
Jahr hier erwähnt, konnte man den Verdacht nicht verdrängen, dass
die griechische Regierung Geld „gebunkert“ hatte und dadurch die
Notfinanzierung durch den Rettungsschirm hinausschieben konnte.
Monti in Italien ist auf der
Schiene ins Chaos und bald werden sich die Italiener auf den Straßen
gegen seine Politik wenden.
Portugal geht in die gleiche
Richtung und um den Jargon unserer Politiker zu benutzen, „wenn
Portugal fällt, dann fällt auch Spanien. Es ist auf der iberischen
Halbinsel sowieso nur eine Frage der Zeit, dass die seit
mehr als einem Jahrzehnt für dumm verkauften und mit vermeintlichem Wohlstand gekauften Bürger das Heft in die Hand nehmen.
Rajoy hat zwar die Macht übernommen, aber er hat sich auch im
wahrsten Sinne des Wortes übernommen. So wie Kohl, Schröder,
Merkel, Sarkozy und andere.
Und wie machmal bei
Kriminalgeschichten so üblich, wird es viele Opfer geben.
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