Dienstag, 24. Januar 2012

Schuldenkrise: Tobias Bayer (FTD) steht zu deutschem Sparverhalten

Wieder einmal veröffentlicht die Financial Times Deutschland eine lesenswerte Kolumne von Tobias Bayer: "Ausgeben muss eine sichere Bank sein"und begründet die Haltung der Bürger in Deutschland mit dem Tenor, dass das Knausern in den "Institutionen liegt", die traditonsmäßig "das Sparen fördern".

Es geht also mit Blickrichtung auf andere Staaten, auch diejenigen der Europäischen Union einschließlich der Euro-Gruppe, um national erworbene Haltungen. Darum sollte man nicht den Antagonisten Deutschlands in der EU suchen, wenn es um europäische Belange geht, sondern in den nationalen Haltungen eines jeden EU / Euro-Gruppen-Staates mit seiner eigenen geldpolitischen Identität.

Das macht die eigentliche Problematik aus. Sie war immer vorhanden, wurde aber in Zeiten des Überflusses nie thematisiert, wohl auch, weil sowohl Politik und auch die Ökonomen wussten, dass sich hier eine Divergenz der Interessen auftut, die nicht zu lösen ist.

Aufgeschoben ist aber, wie sich in den letzten Jahren zeigt, nicht aufgehoben und die Realität hat uns erreicht.

Bayer zeigt auf, " Während Italien und Spanien für die Bevölkerung schmerzhafte Reformprogramme auflegen und ihre Hausaufgaben machten, lasse Berlin sie im Stich".

Wichtig bei der Analyse dieser Aussage ist die Perspektivität.

Die schmerzhaften Reformprogramme folgen nach einer Zeit von Prosperität, die im gleichen Zeitraum in Deutschland nicht vorhanden war. Das bezieht sich auf die Einkommen, die Renten und den Zuwachs an Immobilien.

Was also in den EU-Staaten mit den Finanzproblemen vor  sich geht, ist nichts mehr als eine technische Korrektur, wie wir sie vom Aktienmarkt her kennen.

Die "Schmerzhaftigkeit resultiert in erster Linie aus den fehlenden finanziellen Rückstellungen in den guten Jahren, was natürlich markant auch für den Privatsektor in Spanien fest zu stellen ist.

Aus dem Überfluss in den Sparmodus übergehen zu müssen ist hart, wenn man es nicht gelernt hat.

Bezüglich der "Hausaufgaben", die zu machen seien, gibt es natürlich auch die verschiedesten national bezogenen Perspektiven, die vielfach nicht einmal eine gemeinsame Schnittmenge ausweisen.

Sind es Hausaufgaben, die der deutsche politische "Oberlehrer" aufgibt, wird man sich schlichtweg weigern, sie umzusetzen, weil sie nicht in das vorhandene nationale Konzept (jedes Land verfügt über eigene) passen.

Am Beispiel Griechenlands lässt sich diese These gut nachweisen: Zur Befriedigung der Geldgeber werden Absichtserklärungen unterschrieben, die niemals erfüllt werden. Hier wendet man eine nationale Taktik an, die so lange funktioniert, bis die Geldgeber an ihren Verlusten ersticken.

Das Ändern national erworbener Haltungen ist extrem schwierig. Erinnert man sich an die Migranten  (früher Gastarbeiter) konnte man sehr gut sehen, dass sie mit dem Anliegen, Geld z.B. in Deutschland zu verdienen, Erfolg hatten. Eine reduzierte Ausgabenstruktur (Sparen) verhalf ihnen zu Geldmitteln, die sie zum Unterhalt der Familie und zwecks Vermögenszuwachs in die Heimat schickten.

Diese Gelder, die zum Beispiel nach Spanien gingen ("remesas" genannt) wurden kostenfrei über Niederlassungen spanischer Banken in die Heimat überwiesen.

Hatte man den Entschluss gefasst, nach einiger Zeit zurück zu kehren, war die in Deutschland gelebte Haltung nicht mehr existent, man lebte wieder nach spanischen Handlungsstrukturen, vom Frühstück in den "Bares" über den "Aperitivo" vor dem Mittagessen bis hin zum regelmäßigen Restaurantessen.

Das ist ein national übliches Verhalten und absolut stimmig innerhalb des Kulturraumes. Es steht uns auch nicht zu, es zu kritisieren.

Es zeigt aber auch, dass  es bei der Fülle nationaler Identitäten der EU-Raumes unmöglich ist, einen Konsensus herzustellen, auch nicht in der Wirtschafts- und Finanzwelt.

Möglichweise schafft man es, eine kleinste gemeinsame Schittmenge zu erhalten.

Ob das aber zum Überleben der Euro-Zone und der EU in der heutigen Form reicht, ist zu bezweifeln.

Ob "Berlin" jemanden "im Stich lässt", ist ist eine nicht zulässige Frage oder Feststellung.  Im Stich lassen kann man nur jemanden, gegenüber dem man ein Abhängigkeits- oder Treueverhältnis hat. Dieses besteht, wenn überhaupt, nur im Miteinander.

Im vergangenen Jahrzehnt wurden Einkommen, Renten, Pensionen und Sozialleistungen in Deutschland massiv gekürzt.

Man muss sich also wegen des Prinzips der Reziprozität fragen, warum die in dieser Zeit boomenden  EU-Länder keine Hilfeleistungen an Deutschland gezahlt haben sondern alles in eingene Sozialleistungen und in eigenen Konsum gesteckt haben?


1 Kommentar:

  1. Hallo Herr Wefers,

    danke für den Beitrag/Link,

    "Zusammengefasst: Die deutsche Sparneigung steckt nicht in der DNS, sondern ist Ergebnis des Zusammenspiels von Kreditinstituten sowie einer Politik, die Altersvorsorge schon von Kindesbeinen an fördert."

    Dann sollte man ja an den hochproblematischen Sparneigungen der Deutschen noch was machen können?

    http://www.global-change-2009.com/blog/wie-wollen-wir-sparen-ein-aufruf-zur-gesellschaftlichen-diskussion/2012/01/

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