Montag, 23. Januar 2012

Schuldenkrise aus der Perspektive des Elfenbeinturms?


Beraten Ökonomen über die Schuldenkrise der Mittelmeerstaaten, hat man oft den Eindruck, dass die Unwissenheit, Resultat einer wirtschaftswissenschaftlichen Betrachtung ohne Wissenschaft, zu Aussagen führt, die fast ins Lächerliche abgleiten.

Aus dem Kieler Institut für Weltwirtschaft (Bericht in:" boerse-go.de"), hier Elfenbeinturm genannt, sieht man einerseits „die Gefahr einer Staatspleite  in Griechenland, eine Aussage, die mittlerweile auch schon der unbedarfte Bürger auf der Königsallee in Düsseldorf äußern kann, andererseits sehen die Ökonomen, eine „Angst vor dem Dominoeffekt -Griechenland, Portugal, und Spanien“, vergessen aber Italien, Irland und Belgien.

Der Dominoeffekt tritt jedoch nur ein, wenn der Stein Griechenland fällt und Portugal und Spanien in ihren Grundfesten so erschüttert werden, dass sie auch fallen. Andererseits sind die Grundfesten von Portugal und Spanien schon so gelockert, dass sie auch selbst fallen, ohne dass sie des Impulses Griechenlands bedürfen.

Der in der IfW-Analyse genannte „gesellschaftliche Mentalitätswechsel“ ist ein wichtiger Faktor, der ursächlich an der Entstehung der Schuldenkrise beteiligt war. Der intellektuelle Fehler liegt jedoch darin, dass dieser „gesellschaftlicher Mentalitätswechsel“ nicht nur für Griechenland gilt, sondern auch für Portugal, Spanien, Belgien und alle anderen Mitgliedsstaaten der EU und Eurogruppe.

Hier zeigt sich der Kardinalfehler bei der Konstituierung der Europäischen Union, die in der Zusammenführung der „Mentalitäten“ versagt hat. Dieser Fehler hätte auch zu keiner Zeit korrigiert werden können, denn die Zusammenführung von „Mentalitäten“ ist eine heute fast nicht zu lösende Aufgabe. Sie würde in großem Maße zu Identitätsverlust und zu Entwurzelung und Verfremdung der Menschen in den Mitgliedstaaten führen.

Die einzige Möglichkeit, bei der Konstituierung der EU diese unterschiedlichen „Mentalitäten“, das sind geschichtlich-kulturell-soziologische Unterschiede, begrenzt relativieren zu können, hätte zu einem Vertragsvolumen hinsichtlich der Beherrschbarkeit geführt, das die EU ad absurdum geführt hätte.

Die Nichbeachtung dieser Unterschiede haben schließlich ebenfalls die Europäische Idee der „alten Schule“ de facto zum Scheitern gebracht, nur auf politischer Ebene entzieht sich die Erkenntnis noch der Realität.

Das Kieler Institut meint: „Spaniens Wirtschaft steckt ebenfalls in der Krise, doch erreicht die bestehende Schieflage keine griechischen oder auch nur portugiesische Dimensionen.“

Dabei vergessen die Professoren, dass sie nicht kohärent argumentieren, denn wenn sie das Konzept der „Mentalitäten“ weiter gedacht hätten, wäre ihnen aufgefallen, dass man die Dimension eines Landes nicht mit der eines anderen vergleichen kann, weil sie zwangsläufig anders sind. Das heißt jedoch nicht, dass die Schieflage Portugals und Spaniens nicht euro-bedrohend seien.

Mit Verlaub. Sie sind es. Das weiß natürlich nur derjenige, der nicht im Elfenbeiturm sitzt und sein Wissen nicht nur akademischen Aufsätzen oder Statistiken (Vorsicht!) entnimmt, sondern sein Ohr auf den Patienten legt. 

Zwischen Portugal und Spanien liegen Welten, so wie zwischen Frankreich und Deutschland. Nur die relative Verknüpfung zwischen diesen Welten mag für eine Interdependenz von Bedeutung sein.

Da ein Großteil portugiesischer Schuldverschreibungen von spanischen Banken gehalten werden, wird ein Straucheln Portugals zu massiven Problemen in der spanischen Bankenlandschaft führen, die schon angezahlt ist.

Die Rekordarbeitslosigkeit in Griechenland ist gemessen an der spanischen Arbeitslosigkeit, die geschönt bei 22% liegt, fast irrelevant. 

Die autonomen spanischen Regionen sind meist so verschuldet, dass sie bald Hilfsanträge an die Zentralregierungen stellen müssen. Die Gesundheits- und Medikamentenkosten sind explodiert und werden in vielen Regionen nicht mehr bezahlt, so dass die Schulden an nicht bezahlten Medikamenten bald in den zweistelligen Milliardenbereich gehen werden. 

Die extreme Verschuldung der Privathaushalte, die ohne „Privatinsovenz“ auskommen müssen, ist der Mühlstein um den Hals der spanischen Gesellschaft.

Was die angesprochenen Strukturreformen angeht, so kommt man damit zehn Jahre zu spät. Das notwendige Geld ist in den Konsum und die Immobilienspekulation eingeflossen. Es ist schlichweg vernichtet.

Exportorienterung wäre natürlich die optimale Voraussetzung für eine Konsolidierung Spaniens.

Die wirtschaftliche Monokultur Obst-/Gemüse und Tourismus sind aber nicht geeignet kurz- , mittel- oder langfristig die Finanz-/Wirtschaftslage des Landes zu verbessern.

Bei optimalem Erfolg des so genannten Reformkurses wird Spanien ein Jahrzehnt benötigen, um halbwegs auf den Stand des Jahres 2000 zu kommen. Und das nur bei optimalem Wachstum, das bekanntlich kein Dauerzustand ist und auch nicht sein wird.

Eine relative Chance zu Behebung der Krise ist nur bei einem Austritt aus der Euro-Zone möglich, was auch für weitere Euro-Zonen-Staaten gilt.

Die Verwerfungen, die dadurch zwangsläufig entstehen werden, sind das kleinere Übel und das Geld für Rettungskredite und Rettungsschirme wäre besser in eine Umstrukturierung der Euro-Zone investiert worden. Diese Chance ist politisch nicht gewollt worden. 

Der Realitätsdruck wird die Politik jedoch dazu zwingen.

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