Freitag, 27. April 2012

"Maybritt Illner: Rückkehr der Eurokrise. -Aus für Merkels Spardiktat?-" Eine Nachlese

Maybritt Illners Sendung gehört zweifellos zu den Polithighlights der deutschen Fernsehlandschaft.
„Rückkehr der Eurokrise ...“ war das Thema vom 26.04.2012 bei Maybritt Illner.

Mit analytischem Weitblick bringt Dirk Müller den Sachverhalt auf den Punkt: die Krise war nie weg. Gleiches begründete ich in meinem Blog vor einigen Tagen. Überhaupt ist Müller wieder einmal ein inhaltliches Schwergewicht mit beachtlichem Potential. Die Aussage: „Die vereinigten Schulden Europa“ verdeutlicht die heutige Finanzsituation der EU. „Die Bürger wurden nicht“ mitgenommen“, entspricht den Tatsachen und unterstreicht, wie bürgerfern in Europa Politik betrieben wird. Ebenfalls stellt der Börsenexperte richtig dar, dass für die meisten Volkswirtschaften in der Euro-Gruppe die Währung zu stark im Hinblick auf ihre Leistungsfähigkeit sei.

Nach kurzer, anfänglicher Hektik werden die Impulse Maybritt Illners von den Diskussionsteilnehmern angenommen, wobei die Politprofis Gabriel und Kampeter versuchen, das Forum durch Annahme des Themas und Umleitung auf eigene Fragestellungen zu dominieren.  Rhetorisch geschickt nimmt Gabriel für sich zuerst die Rolle des „Verstehers“ in Anspruch. Er bedient das Stereotyp der „Alternativlosigkeit“ Merkels und „dass die Jugendarbeitslosigkeit so dramatisch steigt“ und dass die jungen Menschen Europa nicht mehr als Signal der Hoffnung sondern als „Gefahr für ihr Leben“ empfinden.

Die kolportierte Weisheit, dass Spanien vor der Krise einen ausgeglichenen Haushalt hatte, ist schlichtweg eine kosmetische Darstellung. Spanien bekam extrem hohe EU-Strukturmittel, der Privatsektor war damals schon total überschuldet und die Staatseinnahmen wurden durch das Prinzip des Kettenbriefes bedient. Durch die Immobilienspekulation und die hohe Anzahl von Käufen und Verkäufen waren die Kassen der Zentralregierung, der Autonomien und der Gemeinden gefüllt. Die Banken vergaben Kredite ohne Bonitätsprüfung. Der Wertzuwachs der Immobilien betrug über 10% pro Jahr. Die Grundstücke, die 1975 mit 5 Peseten pro Quadratmeter (25 Pfennige) bewertet waren, schnellten bald auf 100 Euro. Über die EU  katapultierte Deutschland ein fast Dritte-Welt-Land auf sein eigenes Niveau und schuf so einen potenten Absatzmarkt auf Pump.

Kampeter, Staatsekretär im Finanzministerium Schäubles definiert die Aufgabe der Politik. Es solle das umgesetzt werden, was mehrheitsfähig ist. Er spricht von einem Gestaltungsauftrag der Politik, wobei er nicht  klar stellt, ob die Mehrheitsfähigkeit sich auf das Parlament, auf die Regierung oder den Souverän bezieht. Seine Einlassungen bezüglich „demokratischer Entscheidungen“ sind ebenso abgehoben von der Realität, wie seine Meinung, dass Europa um jeden Preis erzwungen werden muss.

Wenn er auch auf die Mehrheitsentscheidungen der Staatschefs abhebt, sollte er im Hinterkopf haben, dass für gewöhnlich Beschlüsse auch diesbezüglich konform  von allen umgesetzt werden müssen. Es spricht nicht für den CDU-Staatssekretär, dass er zu dieser Reflexion nicht im Stande ist.

Dieses Defizit ist jedoch gleichermaßen bei allen Politikern und Wirtschaftswissenschaftlern zu beobachten, die, mit Verlaub, durch  ihre eingeengte Fachsicht ein verkleinertes Sichtfeld haben.

Insofern geht Kampeter konform mit Beatrice Weder di Mauro, die vor fachlicher Kompetenz strotzt, jedoch auch vergisst, dass Denkschemata sozio-kulturellen Aspekten unterworfen sind. Diese Erkenntnis klingt bei Dirk Müller an, der die individuellen, nationalen Betrachtungsweisen der Volkswirtschaften in der EU anspricht und eine allgemeingültige Wertigkeit deutscher Betrachtungen relativiert.

Im Grunde muss man, was ich schon lange bei der Politik einfordere, eine interkulturelle und intersoziale Finanzkompetenz (Copyright by Wefers) entwickeln. Nur so kann man gemeinsame Beschlüsse fassen, die in gleichem Sinne verstanden und zum Wohle der Gemeinschaft umgesetzt werden.

Will man diesen Weg gehen, muss man die Gesellschaften Europas umbauen, Identitäten demontieren und neu synthetisieren. Ob man das will, ist eine Frage an die Politik und eine Entwicklung, die möglicherweise ein Jahrhundert oder länger dauert. Sinnvoll erscheint mir der Umbau nicht, weil er willentlich und zu einem zweifelhaften Zweck das zerstört, was sich langsam über viele Jahrhunderte kulturell entwickelt hat.

Die Statements Kampeters  sind nicht nur geprägt durch eine latente Ignoranz anderer Meinungen und die Arroganz einer Person, die meint, den Stein der Weisen zu besitzen, sie entmündigen auch in weiten Teilen den Willen der deutschen und ausländisch-europäischen Bevölkerung. Zudem ist die Hybris, die Probleme Europas in Schäubles Ministerium lösen zu können, an der Tatsache zu messen, dass weder der Finanzminister noch sein Parlamentarischer Staatsekretär die Fähigkeit besitzen, die komplexe innerdeutsche Finanzgesetzgebung so zu reformieren, so dass sie für den Bürger durchschaubar und beherrschbar ist. 

Seine Argumentation, dass in Spanien die Bürger hinter der neu gewählten Regierung von Ministerpräsident Rajoy stünden, bedarf einer genaueren Betrachtung: die Konservativen wurden nicht gewählt sondern die Sozialisten wurden abgewählt. Somit war am Wahltag das Votum gegen den Sozialisten Zapatero gefallen. Die Annahme Kampeters, dass die derzeitige Regierung das Vertrauen der Mehrheit der Wähler besitze, ist ein Irrtum, denn die Regionalwahlen in Andalusien, Gewinner die Linke,  beweisen das Gegenteil.

Außerdem gilt für deutsche Politiker und Staatssekretäre, wie oben schon angedeutet: Jemand, der seine Hausaufgaben im eigenen Lande nicht erledigen kann, ist schlichtweg ungeeignet, die Probleme Europas zu lösen.

Aber auch hier zeigt sich das alte Problem von Theorie und Praxis. Nicht alles was theoretisch und sicherlich mit bestem Willen geplant und in Verträge geschrieben wurde, kommt 1:1 bei der Politik an. Diese korrumpiert Vorgaben und formt sie nach Belieben.  Theorie kann letztendlich nur reflektierte Praxis sein und darum müssen alle Modelle scheitern, die meinen, aus der Theorie ohne Verluste in die Praxis zu gelangen.

Dass Weder di Mauro als Wissenschaftlerin argumentiert, mag zwar für ihr eigenes Selbstverständnis von Bedeutung sein. Nur vergisst sie, dass die Wissenschaft keine „Lösungsmechanismen“ bietet. Es ist sogar daran zu zweifeln, ob über die wissenschaftliche Betrachtung von Wirtschaftsmodellen hinaus überhaupt von Wissenschaft gesprochen werden kann, denn über das Prinzip  des „Trial and Error“  von Herbert Spencer Jennigs und W. Holme kommt auch Weder di Mauro nicht hinaus.

Jürgen Stark, der im Laufe des Abends zunehmend an Profil gewinnt, bringt die Euro-Problematik auf den Punkt, als er sagt, dass die Maastricht-Kriterien auf den Kopf gestellt würden. Auch hier zeigt sich wieder, mit welcher Beliebigkeit Politik Verträge verwässert oder außer Kraft setzt. Letztendlich ist in der Politik kein Vertrag das Papier wert, auf das er geschrieben wurde. Auch das solle bei genauer Betrachtung geschichtlicher Abläufe lernbar sein.

Dass Spanien der EZB mitteilte, die freiwerdenden Arbeitskräfte bei Ende des Bauboom in die Wirtschaft integrieren zu können, ist symptomatisch für das Verhalten der maroden Staaten und vor allem für die Gutgläubigkeit von Politik und Institutionen.

Lenin soll gesagt haben: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“. Man muss kein Kommunist sein, um diesem Zitat zu zu stimmen.

Die Teilnahme Rafael Eduardo Wefers Verástegui ist ein gelungener Einstand. Er schildert die Situation in Spanien und spezifisch die in der Autonomen Region Murcia als desolat. Die Industrie, die in der „Vor-Europa-Zeit“ noch vorhanden war, wurde vernichtet und es entstand eine Art Monokultur der Bauwirtschaft mit der Maßgabe, dass viele junge Spanier ihre Schul- oder Universitätsausbildung abbrachen und einen Job des schnellen Geldes in der Bauwirtschaft und ihrem Umfeld suchten.

Auch der von Wefers Verástegui angeführte Aspekt, dass über Verschuldung anderer Länder gesprochen wird, ohne dass man sich selbst bewusst ist, in welchem Umfang Deutschland verschuldet ist, sollte die Politiker zum Denken animieren. Die anonymen Märkte in die Verantwortung zu nehmen ist ein Fehlgriff, denn es gab immer den Primat der Politik. Wenn diese sich für bankrott erklärt, öffnete sie die Türen für Fehlverhalten.

Es wäre wünschenswerter gewesen, die politischen Selbstdarsteller Kampeter und Gabriel mit ihren Statements, die die deutsche Fernsehöffentlichkeit schon zu Genüge gehört hat, in ihrer Abgehobenheit und simulierten Betroffenheit dem Aspekt der interkulturellen Betrachtung weitergehend zu opfern.

Wir Bürger sollten im Sinne der „Geschichte des Erlebten“ das Ohr dort anlegen, wo es Menschen real schmerzt, auch im europäischen Ausland. Das soll keine Betroffenheit erzeugen sondern für Leid und Verhalten sensibilisieren, die uns Deutschen so nicht bekannt sind. Davon jedoch abzuleiten, dass die deutschen Arbeitnehmer und Rentner für Fehler bezahlen müssen, die ursächlich von Politikern der betroffenen Länder begangen wurden und die teils finanziell davon profitierten, wäre ein Fehlschluss.

Aus pädagogischer Sicht müssen die Nationalökonomien der „Schuldenländer“ ihre Probleme selbst lösen und nicht über Verteilungsstrategien, wie Weder di Mauro es aufzeigte, belohnt werden.

Grundsätzlich gilt aber auch und das sollte nicht vergessen werden: Man  hat zum Beispiel in Spanien in den Jahren, als die Agenda 2010 in Deutschland zuschlug, fürstlich gelebt, konsumiert und die deutsche Wirtschaft hat davon profitiert.

Vielleicht lernen wir daraus und erkennen, dass auch wir Deutschen mit Europa überfordert und auch Opfer politischer Blindheit und Fehler sind. Die daraus resultierende Verhaltensänderung muss zwingend den Volksvertretern präsent sein, sonst haben sie ihr Mandat abzugeben.

Maybritt Illner moderierte brilliant in der Kürze der Zeit und im Spannungsrahmen von zwei politischen Monomanen, die ohne neue Denkansätze blieben.

Eine durchweg gelungene Sendung.


Mittwoch, 25. April 2012

Spanien: Pleite des Staates, Pleite der Banken, Pleite der Privathaushalte, Pleite am Arbeitsmarkt



Es wird immer als ein Positivum betrachtet, dass die Staatsverschuldung in Spanien unter 70% liegt. Die Frage, die man sich aber stellen sollte ist: Haben wir es hier mit realen Daten zu tun oder solchen, die der kreativen Buchführung vieler Euro-Gruppen-Staaten, allen voran Griechenland, unterworfen ist.

Die Komplexität der spanischen Situation zeigt, dass die extreme Überschuldung in allen Bereichen dominiert. Vor allem sollte man berücksichtigen, dass aufgrund der wirtschaftlichen Zusammenhänge von Verschuldung der Banken, Privat- und Öffentlichen Haushalten (Zentralstaat und Autonome Regionen) ein Staatsverschuldungslevel von unter 70% nicht real ist.

Die Fronten, denen sich die spanische Regierung unter Ministerpräsident Rajoy entgegenstellen muss, sind mit eigenen Mitteln nicht zu bekämpfen. Nur in einer Allianz mit den soliden Volkswirtschaften der Euro-Gruppe, kann es Spanien gelingen, in kleinen Schritten dem Untergang zu entkommen, wenn überhaupt.

So sagt der spanische Finanzminister Montoro:


Montoro bedient sich hier voll der Übertreibungsrhetorik, denn er müsste erst einmal aufzeigen, in welchem Umfang beim spanischen Staate der Nach-Franco-Zeit gespart wurde. Vielmehr ist es so, dass spanische Politiker aller Couleur mehr ausgabenorientierte Politik getrieben haben. Vor allem die kreditfinanzierten Regierungen von González über Aznar und Zapatero in Spanien haben bei den Bürgern das Gefühl und die Haltung entwickelt, dass der Wohlstand ohne Grenzen sei.

Las pensiones no bajarán nunca (die Renten werden nie fallen). El precio de las casas no bajará nunca (der Wert der Wohnungen wird nie sinken), waren Stereotype der letzten Jahrzehnte. Das Geld für die privaten Haushalte kam aus den Geldautomaten, denn die Kreditlinie ließ sich ohne Prüfung der Solvenz fast beliebig erweitern.

Ein Werbespot war kennzeichnend für die Wirtschaftssituation des Landes: Du rufst bei dem Kreditinstitut an und umgehend kommen die Geldscheine aus dem Faxgerät.

Heute ist das Geld knapp, die Schulden können nicht zurück gezahlt werde. Die faulen Kredite in dreistelliger Milliardenhöhe bedrohen die Banken. Der Staat kann nur bedingt einspringen, denn er ist faktisch pleite. Letztendlich muss die Euro-Gruppe Hilfe leisten.

Die Arbeitsmarktsituation ist fatal. Es gibt keinen Ausweg aus der Krise, denn die spanischen Regierungen haben in den fetten Jahren versäumt, in neue Strukturen zu investieren. Alles Geld floss in den Konsum und in Dienstleistungen. Kurzfristig ist hier nichts zu reparieren.

Zuerst muss die spanische Wirtschaft die Lohnstückkosten um 30-40% senken.

Das ist durchaus möglich, doch geht hier der Weg nicht über die Senkung der schon jetzt geringen Einkommen der Arbeitnehmer. Die Unternehmer verteuern ihre Produkte durch immense Aufschläge, so dass sie heute auf den internationalen Märkten nicht mehr kompatibel sind. Also müssen die Unternehmergewinne extrem reduziert werden.

Ebenfalls müssen die Stellen im Öffentlichen Dienst, die, wie in allen ehemaligen Diktaturen immer noch wasserkopfartig aufgebläht sind, zusammen gestrichen werden Dann müsste man sich gehaltsmäßig an den geringeren Einkommen der normalen Arbeitnehmer orientieren.

Das gesamte Preisniveau muss um 30-40% gesenkt werden, damit die gequälte Bevölkerung wieder etwas für ihr Geld kaufen kann.

Fazit:

Wie Griechenland und andere Länder sollte Spanien aus der Euro-Gruppe austreten und nach 10-15 Jahren und erfolgreicher Restrukturierung versuchen, nochmals zur Euro-Gruppe zu stoßen, falls es die noch geben sollte.

Dienstag, 24. April 2012

Ist die Schuldenkrise zurück?



Das ist die Frage oder auch die Feststellung, die durch fast alle (seriösen) Printmedien kursiert.
Vor allem die Situation Spaniens wird als hoch brisant angesehen.

An sich betrachtet, ist letzteres keine Neuheit sondern nur die Konsequenz einer national fehlgeleiteten Wirtschaftspolitik, die von PP und PSOE, also von Konservativen und Sozialisten gleichermaßen zu verantworten ist.

Die von Ministerpräsident Rajoy angegangenen Einsparungen bringen die spanische Gesellschaft in eine notwendige, wenn auch desolate Situation, denn als Mitglied der Euro-Gruppe geht es nun einmal nicht anders, als sich gesund zu schrumpfen.

Die Rufe, dass Spanien sich zu Tode spare, klingen zwar nach Verständnis für die Wirtschaftsentwicklung, sind aber absolut verfehlt. Spanien hat nun einmal auf Pump gewirtschaftet und im Glauben, dass die Immobilienpreise immer steigen, dass die Einkommen und Renten immer steigen, dass das „bienestar“ (der Wohlstand) immer wachse, voll an der Realität vorbei gelebt.

Dabei war es am Beispiel Deutschlands ablesbar, wie eine moderne Volkswirtschaft dem Wechsel von Wachstum und Abschwung ausgesetzt ist.

Spanien leidet zur Zeit in dem Masse, wie es in den fetten Jahren (auf Pump) brillierte. Im Grunde und gemessen an der verfehlten Politik, ist die wirtschaftliche Situation des Landes der ausgleichenden Gerechtigkeit unterworfen. Wären da nicht die desaströsen Einzelschicksale, das Leiden der einfachen Menschen, die die Zeche einer Politik bezahlen müssen, die auch sie durch freie Wahlen zu verantworten hatten und haben.

Die Krise ist zurück!

Nein, die Krise ist nicht zurück. Sie war niemals weg. Vielmehr wird sich die Krise unter der verfehlten EZB-Politik weiter verschärfen und Spanien und auch andere werden einen hohen Preis für die Europa-Euphorie der vergangenen Jahre bezahlen.

Auch Deutschland, das sich im Hinblick auf Lohn- und Rentenempfänger seit Jahrzehnten zu Tode spart.

Für Europa, für die Banken, für die Unternehmergewinne.


Hat sich Grass schuldig gemacht?

Die Medien laufen Amok, einige Literaten schlagen in die gleiche Kerbe wie die Medien und manche meinen sogar, dass Günter Grass der Wolf im Schafspelz ist, der seit Jahrzehnten sein Innerliches verborgen hatte, im Grunde ein Nazi war und es geblieben ist.

"Rolf Hochhuth (81) griff Grass direkt an: „Du bist geblieben, was Du freiwillig geworden bist: der SS-Mann, der das 60 Jahre verschwiegen hat, aber den Bundeskanzler Kohl anpöbelte, weil der Hand in Hand mit einem amerikanischen Präsidenten einen Soldatenfriedhof besuchte, auf dem auch 40 SS-Gefallene liegen“, schrieb er in einem offenen Brief, den „Münchner Merkur“ und „Die Welt“ am Samstag veröffentlichten.", teilt "Fokus mit.

Sicherlich hat sich Hochhut in Stil und Inhalt vergriffen. Sicherlich würde Hochhut seinem Kollegen Grass den Nobelpreis aberkannt sehen mögen, Sicherlich hält er sich selbst für den besseren Menschen, den besseren Literaten, den besseren Vertreter deutscher Politik.

Ja, Grass hat sich schuldig gemacht. Schuldig indem er sich in seinem Leben auf eine Art und Weise politisierte, die ihm nunmehr zum Schaden dient.

Jeder Literat ist auch ohne direktes politischen Engagement politisierend, in seinem Leben und in seinem Werk.

Was Günter Grass jedoch in seinem Gedicht in Prosaform von sich gibt, ist nicht als literarisches Werk zu sehen, es ist nicht mehr als das Statement eines Menschen, der sein Leben lang dem dichterischen Erfolg dienend das versucht hat, was die politische Korrektheit in jeder Phase seines Lebens einforderte.

Es ist Grass in keiner Weise vorzuwerfen, dass er eine soziale Angepasstheit so ausübt, wie jeder Mensch, der in der Öffentlichkeit steht, öffentliche Ämter ausfüllt oder in Lehre und Forschung seinen Platz finden will.

Unsere Gesellschaft ist nicht so frei, dass sie wirklich Meinungen zulässt, die nicht vom Zeitgeist und seiner vermeintlich politischen Korrektheit abweichen.

Günter Grass hat seine Meinung gesagt, das sollte ihm auch in seiner exponierten Stellung zustehen.

Selbst wenn man seinem "Gedicht" in Prosaform unterstellen wßrde, wie es in abstruser Weise geschehen ist, dass es einem Faktenscheck nicht standhalten kann, ist das noch lange kein Grund, einem Literaten, zu dem man stehen kann, wie man will, im wahrsten Sinne des Wortes tot zu schlagen.

Dichterisches Schaffen ist der Umgang mit Worten, die Arbeit mit Verfremdungen, die Schaffung von Leerstellen, die Reduktion, dichterische Werke schaffen Möglichkeiten des Eintauchen des Lesers in das nicht Gesagte, die Integration der eigenen Persönlichkeit mit dem dichterische Werk.

Wenn man nunmehr sagt, dass Grass "zurückrudere", dass er erkläre, ist das nur ein Zeichen dafür, dass hier kein literarisches Produkt eines Dichters oder Schriftstellers vorliegt sondern nur die vielleicht unglückliche Meinung eines alten Mannes, der sich zweifellos mit seinem Lebenswerk um die Weltliteratur verdient gemacht hat.

Grass weiß als Dichter, dass jedes künstlerische Werk, ist es erst einmal veröffentlicht, nicht mehr Eigentum des Künstlers ist. Es wird vom Geist des Lesers durchdrungen und wird so öffentlich für die Gesamtheit der Adressaten.

Grass weiß als Dichter. dass er als Schaffender nicht qualifiziert ist, sein Werk zu interpretieren.

Nehmen wir also das "Gedicht" von Günter Grass als das, was es ist, eine subjektive Objektivität. Räumen wir aber auch ein, dass unsere eigene Meinung den selben Rahmen meist auch nicht überschreitet.