Montag, 23. Januar 2012

Schuldenkrise aus der Perspektive des Elfenbeinturms?


Beraten Ökonomen über die Schuldenkrise der Mittelmeerstaaten, hat man oft den Eindruck, dass die Unwissenheit, Resultat einer wirtschaftswissenschaftlichen Betrachtung ohne Wissenschaft, zu Aussagen führt, die fast ins Lächerliche abgleiten.

Aus dem Kieler Institut für Weltwirtschaft (Bericht in:" boerse-go.de"), hier Elfenbeinturm genannt, sieht man einerseits „die Gefahr einer Staatspleite  in Griechenland, eine Aussage, die mittlerweile auch schon der unbedarfte Bürger auf der Königsallee in Düsseldorf äußern kann, andererseits sehen die Ökonomen, eine „Angst vor dem Dominoeffekt -Griechenland, Portugal, und Spanien“, vergessen aber Italien, Irland und Belgien.

Der Dominoeffekt tritt jedoch nur ein, wenn der Stein Griechenland fällt und Portugal und Spanien in ihren Grundfesten so erschüttert werden, dass sie auch fallen. Andererseits sind die Grundfesten von Portugal und Spanien schon so gelockert, dass sie auch selbst fallen, ohne dass sie des Impulses Griechenlands bedürfen.

Der in der IfW-Analyse genannte „gesellschaftliche Mentalitätswechsel“ ist ein wichtiger Faktor, der ursächlich an der Entstehung der Schuldenkrise beteiligt war. Der intellektuelle Fehler liegt jedoch darin, dass dieser „gesellschaftlicher Mentalitätswechsel“ nicht nur für Griechenland gilt, sondern auch für Portugal, Spanien, Belgien und alle anderen Mitgliedsstaaten der EU und Eurogruppe.

Hier zeigt sich der Kardinalfehler bei der Konstituierung der Europäischen Union, die in der Zusammenführung der „Mentalitäten“ versagt hat. Dieser Fehler hätte auch zu keiner Zeit korrigiert werden können, denn die Zusammenführung von „Mentalitäten“ ist eine heute fast nicht zu lösende Aufgabe. Sie würde in großem Maße zu Identitätsverlust und zu Entwurzelung und Verfremdung der Menschen in den Mitgliedstaaten führen.

Die einzige Möglichkeit, bei der Konstituierung der EU diese unterschiedlichen „Mentalitäten“, das sind geschichtlich-kulturell-soziologische Unterschiede, begrenzt relativieren zu können, hätte zu einem Vertragsvolumen hinsichtlich der Beherrschbarkeit geführt, das die EU ad absurdum geführt hätte.

Die Nichbeachtung dieser Unterschiede haben schließlich ebenfalls die Europäische Idee der „alten Schule“ de facto zum Scheitern gebracht, nur auf politischer Ebene entzieht sich die Erkenntnis noch der Realität.

Das Kieler Institut meint: „Spaniens Wirtschaft steckt ebenfalls in der Krise, doch erreicht die bestehende Schieflage keine griechischen oder auch nur portugiesische Dimensionen.“

Dabei vergessen die Professoren, dass sie nicht kohärent argumentieren, denn wenn sie das Konzept der „Mentalitäten“ weiter gedacht hätten, wäre ihnen aufgefallen, dass man die Dimension eines Landes nicht mit der eines anderen vergleichen kann, weil sie zwangsläufig anders sind. Das heißt jedoch nicht, dass die Schieflage Portugals und Spaniens nicht euro-bedrohend seien.

Mit Verlaub. Sie sind es. Das weiß natürlich nur derjenige, der nicht im Elfenbeiturm sitzt und sein Wissen nicht nur akademischen Aufsätzen oder Statistiken (Vorsicht!) entnimmt, sondern sein Ohr auf den Patienten legt. 

Zwischen Portugal und Spanien liegen Welten, so wie zwischen Frankreich und Deutschland. Nur die relative Verknüpfung zwischen diesen Welten mag für eine Interdependenz von Bedeutung sein.

Da ein Großteil portugiesischer Schuldverschreibungen von spanischen Banken gehalten werden, wird ein Straucheln Portugals zu massiven Problemen in der spanischen Bankenlandschaft führen, die schon angezahlt ist.

Die Rekordarbeitslosigkeit in Griechenland ist gemessen an der spanischen Arbeitslosigkeit, die geschönt bei 22% liegt, fast irrelevant. 

Die autonomen spanischen Regionen sind meist so verschuldet, dass sie bald Hilfsanträge an die Zentralregierungen stellen müssen. Die Gesundheits- und Medikamentenkosten sind explodiert und werden in vielen Regionen nicht mehr bezahlt, so dass die Schulden an nicht bezahlten Medikamenten bald in den zweistelligen Milliardenbereich gehen werden. 

Die extreme Verschuldung der Privathaushalte, die ohne „Privatinsovenz“ auskommen müssen, ist der Mühlstein um den Hals der spanischen Gesellschaft.

Was die angesprochenen Strukturreformen angeht, so kommt man damit zehn Jahre zu spät. Das notwendige Geld ist in den Konsum und die Immobilienspekulation eingeflossen. Es ist schlichweg vernichtet.

Exportorienterung wäre natürlich die optimale Voraussetzung für eine Konsolidierung Spaniens.

Die wirtschaftliche Monokultur Obst-/Gemüse und Tourismus sind aber nicht geeignet kurz- , mittel- oder langfristig die Finanz-/Wirtschaftslage des Landes zu verbessern.

Bei optimalem Erfolg des so genannten Reformkurses wird Spanien ein Jahrzehnt benötigen, um halbwegs auf den Stand des Jahres 2000 zu kommen. Und das nur bei optimalem Wachstum, das bekanntlich kein Dauerzustand ist und auch nicht sein wird.

Eine relative Chance zu Behebung der Krise ist nur bei einem Austritt aus der Euro-Zone möglich, was auch für weitere Euro-Zonen-Staaten gilt.

Die Verwerfungen, die dadurch zwangsläufig entstehen werden, sind das kleinere Übel und das Geld für Rettungskredite und Rettungsschirme wäre besser in eine Umstrukturierung der Euro-Zone investiert worden. Diese Chance ist politisch nicht gewollt worden. 

Der Realitätsdruck wird die Politik jedoch dazu zwingen.

ESM Rettungsschirm soll weiter aufgeblasen werden


Nach einer dapd-Pressemitteilung sprechen sich der italienische Ministerpräsident Monti und der italienische EZB-Präsident Draghi für eine Aufstockung des ESM Rettungsschirms aus und setzten so Deutschland unter Druck.

Draghi schlägt eine 50-pozentige Erhöhung auf 750 Milliarden Euro vor, währenddessen sein Landsmann Monti noch einmal 250 Milliarden zusätzlich für notwendig betrachtet,

Monti, der möglicherweise schon an eine drohende Insolvenz Italiens denkt, möchte seine Sorgen mit einer satten Billion „glatt gebügelt“ sehen.

Sollte es wirklich zu einer solchen immensen Aufstockung des ESM Rettungsschirms kommen, ist mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass durch den nachlassenden Reformdruck auf die EU-Wackelkandidaten die Obergrenze weiterhin nach oben offen ist.

Für Merkel wird die Sache sehr bedenklich, denn die vom Bundesrat beschlossene Obergrenze, die schon durch diverse Kunstgriffe seitens der EZB unterlaufen wurde, käme dann für Deutschland endgültig in ruinöse Dimensionen, falls sie sich zurzeit nicht schon darin befindet.

Es wäre nun wirklich an der Zeit, dass das Bundesverfassungsgericht einschreitet, denn unsere freiheitlich demokratische Ordnung sollte davon ausgehen, Schaden vom deutschen Volk abzuhalten.

Ob die Politik in Deutschland diese Maxime im Blickfeld hat, ist mittlerweile in Zweifel zu ziehen.

Sonntag, 22. Januar 2012

Löst Prof. Max Otte die Schuldenkrise?

In einem Punkt hat Max Otte uneingeschränkt Recht, wenn er sagt: „ Falls man diese Krise lösen möchte, brauchte man nur den politischen Willen dazu.“

Andererseits ist der politische Wille an sich nur eine Lösungsoption, denn die Komplexität der interagierenden Konstellationen lassen sich nicht unbedingt in eine und alleinige problemlösende Richtung lenken.

Die Schaffung der Europäischen Union und der Euro-Zone zur Entflechtung der Nationalstaatlichkeit in den diversesten Aspekten, von der Verbannung der Kriegsgefahr aus Europa bis hin zu der Öffnung neuer Märkte und dem Abbau der Wirtschaftsbarrieren hat gezeigt, dass es durchaus normal ist, dass bei der Lösung eines Problems viele andere entstehen werden.

Die Komplexität des Europa-Konstruktes hat gezeigt, dass proportional auch die Zahl der Probleme ansteigt, man mag sogar der Auffassung sein, dass sie exponentiell anwachsen.

Jeder politische Wille, und damit ist die Aussage von Otte zum Allgemeinplatz degradiert, ist juristisch und dann nachgeordnet in allen Lebenslagen so durchsetzbar, dass Veränderungen eintreten können.

Den Euro für „eine ganze Reihe von wirtschaftlichen Überhitzungen verantwortlich“ zu machen, ist nichts anderes, als am Thema vorbei zu reden. Es ist nicht der Euro, letzendlich moralisch wertneutral, dem die Verantwortung zu übertragen ist. Es sind, so wie Otte es im Ansatz richtig erkannt hat, die politischen Vorgaben, die leichtfertig und ohne hinreichende Abwägung der Konsequenzen fast ausschließlich auf der Basis von wirtschaftlichen Überlegungen von POLITIKERN auf den Weg gebracht wurden, die im Grunde an vieles dachten, nur nicht an die soziokulturellen Unterschiedlichkeiten in den EU-Länder, die unterschiedliche Denk- und Handlungsstrukturen einbrachten, die gegenseitig nicht verstanden wurden und bis heute nicht verstanden werden.

Auch den Dollar als diejenige Währungsgröße darzustellen, die in Verteidigung ihres „Reservestatus“ den Euro attackiert, kann nur eine Teilbetrachtung der heutigen Problematik sein.

Richtig ist, und somit widerspreche ich Otte aufs Heftigste, der weltweite Verfall des Geld- und damit Handelssystems. Und hier hat noch niemand der großen Ökonomen eine Alternative angeboten, weil sie sich alle, ohne Ausnahmen, in konzentrischen Kreisen um den Geldfluss in der jetzigen Form bewegen, außerstande, durch einen Systembruch neue Denkansätze und Handlungskonzepte zu entwerfen.

Was Otte schließlich vorschlägt, unterstreicht nochmals die Eindimensionalität des ökonomischen Denkens: „Wir brauchen in Europa dringend Haircuts“.

Damit greift er zurück auf eine finanztechnische Rückführung auf den „vorherigen Stand“, das heißt auf ein finanztechnisch abgesenktes Niveau, das Wachstum wieder zulässt, weil vorher Werte vernichtet wurden.

Kurzum: Wir suchen Ersatzhaltungen für das, was vor garnicht so langer Zeit Epidemien und Kriege geleistet habe.

Damit werden uns von den Ökonomen die Grenzen unserer Existenz und Essenz aufgezeigt. 

Annehmen müssen wir sie nicht.

Die Schuldenkrise: Eine Realität jagt die andere


Die Unternehmensberatungsagentur McKinsey ist der Meinung, dass Griechenland aus dem Europäischen Währungsraum austreten solle. „ Es könne der Fall eintreten, dass ein 'geordneter Austritt' aus der Eurozone für Griechenland das kleinere Übel ist, trotz aller damit verbundenen Probleme“. Das ist die Meinung des Deutschlandschefs der Agentur, Frank Mattern, abgegeben in der FAZ Sonntagszeitung.

Die Auswirkungen eines geordneten Austritts Griechenlands auf Länder wie Italien oder Spanien seinen „vermutlich beherrschbar“, so die Darstellung der Agentur AFP vom 22.01.12.

Zu hinterfragen ist die in der Politik und der Presse verwendete Begrifflichkeit des „geordneten Austritts“ oder der „geordneten Insolvenz“ in anderen Beiträgen.

In beiden Fällen handelt es sich um psychologisch geschickte Versuche, dem Leser, dem Bürger schlechthin, die Furcht von dem Unbekannten zu nehmen.

Ist etwas kalkulierbar, dann ist es auch beherrschbar, kurz gesagt, die Politik hat die Lage im Griff.

Ein geordneter Austritt Griechenlands oder auch eine geordnete Insolvenz, die „vermutlich beherrschar“ seien, stehen im Widerspruch zu kalkulierbaren Konsequenzen und sind nur geeignet, eine Art von Opiatwirkung beim Bürger zu erzeugen.

Lassen wir uns nicht hinters Licht führen: So wie es keine allgemeingültigen Rezepte für die Lösung der Schuldenkrise gibt, so ist auch ein Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone nicht so anzusehen, dass alle Faktoren kalkuliert beherrschbar seien.

Die nicht kakulierbare Beherrschung der Problematik jedoch als Grund anzusehen, auf einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone zu verzichten, wäre absolut falsch. Man muss eine Entscheidung auf sich nehmen und wenn die Konsequenzen sich abzeichnen, muss man weiter entscheidungs- und handlungsfähig bleiben.

Absolute Sicherheit kann und wird es nicht geben, aber die Strategie, mit immer größeren Geldmengen die Problemlösung erkaufen zu können, hat sich schon jetzt als Fehlspekulation erwiesen.

Wenn man die Europäische Trauergeschichte, früher Erfolgsstory genannt, betrachtet, glaubte man auch, dass die Entwicklung nur in die positive Richtung laufen würde.

Auch die Schaffung der EU und der Euro-Zone war eine Entscheidung mit vielen (teils unbekannten) Variablen, die zu einer nicht beherrschbaren Situation führte.

Wir befinden uns nicht in einer Ausnahmesituation sondern wir sind voll in der Realität.

Wenn man in der diachronen Betrachtung feststellt, dass Realitäten einem konstanten Wandel unterworfen sind,  hat man nicht den Stein des Weisen entdeckt.

Samstag, 21. Januar 2012

Die EU und die Euro-Zone: Eine Kriminalgeschichte?


Wenn es nicht für viele Menschen in Europa und darüber hinaus dramatisch werden könnte, wären die Titel der Presseberichte über die Schuldenkrise geeignete Kapitelüberschriften für einen spannenden Krimi.

Denken wir jedoch an die Hauptakteure, diverse Politiker im Euro-Raum, sehen wir sofort, dass es sich hier nicht im Fiktion handelt, es ist grausame Realität, die uns zugemutet wird, ohne dass jemand sagt: Jetzt reicht es! Schluss mit den so genannten Rettungsaktionen, Schluss mit dem Verbrennen von hart erwirtschaftetem Geld und vor allem, Schluss mit der Betrügerei.

Man kann, verwendet man das angesammelte Wissen der vergangenen Jahre, durchaus annehmen, dass es einmal eine Europäische Idee gab, die voller Idealismus strotzte, dass diese aber im Laufe der Umsetzung korrumpiert wurde, es wurde gelogen, betrogen, verfälscht, verschleiert und manipuliert.

Wenn es nicht Aktionen unter den EU-Mitgliedsstaaten waren, dann wurden diese auf den jeweils nationalen Ebenen, innerhalb der einzelnen Mitgliedsstaaten vollzogen. Bürgern wurde der Eindruck vermittelt, dass die EU zu mehr Wohlstand führe, dass mit der Einführung des Euro eine Erfolgsstory begründet würde, die die Menschen in den Mitgliedstaaten in eine Art Schlaraffenland katapultierte, ohne viel Mehraufwand, ohne handfest mitzuarbeiten und vor allem ohne jeglichen Verzicht.

Alle würden wir von Europa profitieren. Alle würden wir vom Euro profitieren. Mit diesen Aussagen haben uns die Politiker, Banker und Großunternehmen geködert.

Und niemand sage, weder in Griechenland noch in Portugal, noch in Irland, noch in Spanien und auch nicht in Italien, den übrigen EU-Ländern und der Europäischen Union selbst, dass eine Entwicklung der Schuldenkrise nicht absehbar gewesen wäre.

Die Annäherung an den Absturz in der EU / Eurozone war sehr wohl bekannt und nicht nur hier, sondern auch in allen anderen Wirtschaftsräumen. Warum nichts geschah, auch das wissen wir und es wurde schon häufig thematisiert: Die Gier nach Bereicherung.

Diese haben wir immer in Bezug auf die Banken gesehen, aber mittlerweile wird es immer deutlicher, die Regierungen der EU- / Euro-Gruppen-Länder waren ebenso involviert wie auch andere Nationen, die in der Weltwirtschaft ein Wort mitsprechen.

Dachte man noch vor kurzer Zeit, dass der ehemalige Ministerpräsident Papandreou eine Lichtgestalt für sein Land war, der versuchte, auch für Europa zu retten, was noch zu retten war, so werden wir jetzt eines Besseren belehrt: Vermutlich hat auch Herr Papandreou uns betrogen (Papandreou droht Anklage wegen Statistik-Fälschung; in: Deutsche Mittelstands Nachrichten vom 21.01.12).

Wie schon im vergangenen Jahr hier erwähnt, konnte man den Verdacht nicht verdrängen, dass die griechische Regierung Geld „gebunkert“ hatte und dadurch die Notfinanzierung durch den Rettungsschirm hinausschieben konnte.

Monti in Italien ist auf der Schiene ins Chaos und bald werden sich die Italiener auf den Straßen gegen seine Politik wenden.

Portugal geht in die gleiche Richtung und um den Jargon unserer Politiker zu benutzen, „wenn Portugal fällt, dann fällt auch Spanien. Es ist auf der iberischen Halbinsel sowieso nur eine Frage der Zeit, dass die seit mehr als einem Jahrzehnt für dumm verkauften und mit vermeintlichem Wohlstand gekauften Bürger das Heft in die Hand nehmen.

Rajoy hat zwar die Macht übernommen, aber er hat sich auch im wahrsten Sinne des Wortes übernommen. So wie Kohl, Schröder, Merkel, Sarkozy und andere.

Und wie machmal bei Kriminalgeschichten so üblich, wird es viele Opfer geben.

Freitag, 20. Januar 2012

Europäische Union: Die Politik der ewig Gestrigen


Politik hat u.a. die Aufgabe gesellschaftliche Entwicklungsprozesse zu initiieren und sie weiter zu entwickeln. Eine Gesellschaft, die stagniert oder sich im extremsten Fall zurückentwickelt, driftet zwangsläufig in den Zerfall.

Die Entwicklungsprozesse sind aber nicht gleichzusetzen mit wirtschaftlichem Wachstum. Eine Gesellschaft muss auch entwicklungsfähig sein, wenn sie sich nicht in dieser Hinsicht entwickelt, sondern auch im Bereich des sozialen Miteinanders, der gegenseitigen Wertschätzung und in der Verteilung von gemeinsam erwirtschaftetem Vermögen.

Politik hat ebenfalls die lang vernachlässigte Aufgabe, diesen Verteilungsschlüssel zu entwickeln und in Gesetze zu fassen, damit alle Mitglieder, auch die sozial Schwachen, an Wirtschaftsleistungen partizipieren können.

Sollten aufgrund der Rezession gesellschaftspolitische Umbauprozesse stattfinden, so müssen alle gesellschaftlichen Gruppen daran beteiligt werden und vor allem diejenigen, die in einer Gesellschaft besonders gut gestellt sind.

In Deutschland haben diese Umbauprozesse in den letzten 10 Jahre zwar stattgefunden, doch wurde die Verteilung zugunsten der Unternehmen vollzogen, die einerseits höhere Gewinne einfahren konnten und andererseits in der EU- / Weltwirtschaft durch verringerte Lohnstückkosten sehr gute Absatzmöglichkeiten fanden.

Auf der anderen Seite standen die Arbeitnehmereinnahmen auf der Verliererseite, weil ihre Lohnzuwächse meist unter der nationalen Inflationsrate (die Deutschlands) lagen und die Renten, Pensionen und Hartz 4-Sätze real rückläufig waren.

Im europäischen Vergleich lagen die Einkommenszuwächse in der Bundesrepublik Deutschland auf der Verliererseite.

Am Beispiel Spaniens, das zur Zeit um das Defizitziel für 2012 bangt (FTD), lässt sich leicht aufzeigen, dass die Problematik weniger in der absoluten Betrachtung der desolaten Wirtschafts- und Finanzsituation liegt, sondern in einer erworbene Haltung, die sich von derjenigen Deutschlands grundlegend unterscheidet.

Wichtig ist jedoch, dass jede erworbene Haltung, auch die der Bundesrepublik Deutschlands, nicht ewig gilt sondern situationsspezifisch im richtigen Moment geändert werden muss. Das ist die Aufgabe von Politik.


In dem o.a Artikel der Financial Times Deutschland im Gespräch mit dem spanischen Haushaltsminister Montoro geht es teils polemisch nach dem Grundsatz: Angriff ist die beste Verteidigung. Er verweist auf den Bruch der EU-Finanzreglen im Jahr 2003 durch Frankreich und Deutschland.

Montoro kann zwar für diese Zeit in Spanien auf eine sehr gute wirtschaftliche Lage hinweisen, solle aber fairer Weise im Hinterkopf behalten, dass der damalige, fremdfinanzierte Boom aus dem Immobilien- /Spekulationsbereich der Grund ist für die desolate heutige Situation Spaniens mit über 22% Arbeitslosigkeit, der Verschuldung des Zentralstaates, der Autonomen Regionen, der extremen Verschuldung der Privathaushalte und des Bankensektors.

Dass man in wirtschaftlich-sozialer Hinsicht in Spanien in Kategorien der González - Aznar - Zapatero-Ära denkt, mag bedenklich stimmen. Insofern steht die Rajoy Regierung, auch wenn sie als konservativ zeichnet, in dieser Tradition:
„Aber in Europa 'geht es nicht allein um operative Normen'. Den Bürgern einer solchen Union müsse es besser gehen als zuvor. "Wachstum ist entscheidend." meint der Minister in der FTD.

Damit spielt er auf den Begriff des „bienestar“ an, der zum Flügelwort der pseudo-wirtschaftlichen Entwicklung Spaniens geworden ist.
Die Gesellschaft sollte sich im Sinne des immer wachsenden Wohlstandes weiterentwickeln, unabhängig, wie sich zeigt und über alle Parteiunterschiede hinaus.
Das ist das Denken nicht nur eines der EU-Mitgliedsländer, die in dem Konstrukt eine heibringende Wirkung sahen, die ihre Kraft vielfach nur aus Transferleistungen, Krediten und Spekulationsgeschäften der riskanten Art generierte.
Ganz unabhängig davon versteckt sich im Hintergrund ein nationales Denken und das Bewußtsein, dass die Mitgliedsstaaten Europas nicht in einer Symbiose sondern in einem parasitären Verhältnis leben.










 

Donnerstag, 19. Januar 2012

Beendet das Leiden der griechischen Menschen


„Das Zittern vor einer Pleite der Griechen geht weiter“, schreibt Sabine Brendel in der WAZ vom 19.01.2012.

Die Troika, zusammengesetzt aus Vertretern der EU, des IWF und der EZB sollen feststellen, ob Griechenland seine Sparziele zur Konsolidierung der Finanzen erfüllt hat.

Natürlich, und das ist schon zu antizipieren, hat Griechenland die Vorgaben nicht erreicht, natürlich, und auch das ist zu antizipieren, werden trotz der desolaten Situation alle mit dem Schäuble-Satz behaupten, dass „Griechenland auf dem richtigen Weg sei“. Natürlich werden auch die nächsten fünf Milliarden bereit gestellt werden, damit sie im Sumpf versenkt werden können.
Wenn man jedoch nach Schuld sucht, soll man das griechische Volk nicht an den Pranger stellen. Dahin gehören alle EU-Politiker, die ihre Unfähigkeit nunmehr hinreichend bewiesen haben.
„Weil das EU-Recht aber keine Rauswurf- oder Austrittsklausel aus dem Euro enthält, können die Griechen nur freiwillig zur Drachme zurückkehren“, weiß Frau Brendel zu berichten.

Wer jedoch die EU und ihre Apparate kennt, wer auch nur annähernd weiß, wie die EU und mit ihr die Euro-Gruppe funktioniert, sieht, dass es nicht am EU-Recht liegt, sondern an der Scham der Politiker, die sich beim Eintritt Griechenlands in die Euro-Gruppe von ihren Kollegen betrügen ließen und nach dem schönen spanischen Sprichwort: „Soy como Juan Palomo, yo me lo guiso, yo me lo como“ (frei übersetzt: das, was ich mir eingebrockt habe, verspeise ich auch) verfahren.

Also zieht die Euro-Gruppe es vor, an Griechenland zu ersticken, als sich von ihm zu trennen.

In der Jurisprudenz und insbesondere im Europäischen Recht ist alles möglich, was sich gewiefte Juristen vornehmen. Rechtslücken gibt es viele und man muss nur alles richtig drehen und kombinieren, dann erhält man Lösungen (siehe direkte Staatenfinanzierung durch Taschenspielertricks) und man erhält eine neue Rechtsposition, die legal ist.

Was ist mit Griechenland zu tun?

Griechenland muss zum Wohle der Bevölkerung ebenso die Euro-Gruppe verlassen wie Italien, Portugal, Spanien und Irland. Möglicherweise sollten sich andere noch anschließen.

Nur die Tabuisierung eines Austritts aus der Euro-Gruppe muss vom Tisch.

Jedes Zögern bringt mehr Unheil über die Bürger der betroffenen Staaten, die für die Unfähigkeit ihrer und anderer EU-Politiker, einschließlich der Deutschlands, leiden müssen.